Vogel der Woche: #039 - Der Ohrentaucher

23. März 2024

Heute: Der Ohrentaucher. Podiceps charlesi.

Dieses wunderschöne Tier kennt man bisher nur von einem Foto, das auf einer Exkursion mit Englands Kronprinzen durch ein besonders schützenswertes Sumpfgebiet gemacht wurde.

Über die Lebensweise weiß man überhaupt nichts.

Der Kronprinz* soll sich peinlich berührt abgewendet haben, als er auf die Ähnlichkeit angesprochen wurde.

* (heute isser natürlich König)


Beteiligt:

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HikE Worth
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Timmey H. N.
Sprecher

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Vogel der Woche: #038 - Die Haufenlerche

18. März 2024

Heute: Die Haufenlerche. Galerida klumpatscha.

Neigt zu Agglomeration. Auch beim Fliegen. Andere Lerchen lassen Platz beim Lerchenflug. Viel Platz. Manchmal eine Lerche auf 10 Quadratkilometer. Durchaus hübsch und gemütlich. Lässt Zeit zur Beobachtung, beim Vogelzählen machste einen Strich in deine Twitcher-Liste, Lerche im Singflug überhin. Okay. Der Zettel reicht viele Tage lang aus.

Du brauchst maximal einen Viertel Bleistift pro Saison. Alles Tranquilo. Schönes Naturerlebnis. Hermann Löns Feeling und so.

Ganz anders hingegen die Haufenlerchen. Die steigen als kreischender Zwitscherball, bestehend aus mehreren hundert Individuen, in die Lüfte. Und das ist, liebe Zuhörende, fundamental beunruhigend mit anzusehen, und macht, dass einsame Heidedichter und -ornithologen sich stantepede in ärztliche Obhut begeben, um das Bild in ihren Köpfen wieder wegmachen zu lassen.


Beteiligt:

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HikE Worth
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Vogel der Woche: #037 - Die Sturzmöwe

11. März 2024

Heute: Die gemeine Sturzmöwe. Larus newtoni.

Wenn mit lautem Grölen etwas aus dem Azur kippt und Dich auf den Kopf pickt, bist Du vielleicht gerade ein Opfer der Gemeinen Sturzmöwe geworden. Dieses Tier belästigte bereits Persönlichkeiten wie Sir Isaac Newton dermaßen, dass diese sich darüber zu ihren coolsten wissenschaftlichen Arbeiten inspiriert sahen. Im Falle Newtons brauche ich nicht besonders den Weltrang zu betonen, den seine Beschreibung der Schwerkraft bedeutet. Allerdings ist die Geschichte mit dem Apfelbaum als Ruheort und dem Apfel als Ruhestörer ziemlich – ja – äh – aus der Luft gegriffen. Quasi.

In Wirklichkeit ging das etwas prosaischer ab und dem Herrn Newton seine Fontanelle wurde von unserem rabiaten Sturzflieger gepickt. Und der Apfelbaum war eine Pappel.

Ansonsten ist der Plot korrekt wiedergegeben, so dass es als bewiesen gelten darf, dass die Schwerkraft entdeckt ist.

Viele vermeintliche Seeschwalben-Angriffe gehen auf das Konto dieses reaktionsfreudigen lebenden Geschosses, diese Verwechslung wird durch die relative Kleinheit der Sturzmöwe begünstigt und durch das irre Tempo, mit dem die Angriffe stattfinden.

(Fun Fact: Dieser Vogel wurde 2018 bei Radio T gesichtet.)


Beteiligt:

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HikE Worth
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Vogel der Woche: #036 - Der Gumpel

4. März 2024

Heute: Der Gumpel. Pyrrhula nasua.

Der Gumpel ist ein kleiner rötlicher Federball, der zierlich, selbstgenügsam, meistens regungslos herumsitzt. Sein Gefieder schillert in Karmin- bis Purpurtönen und er ist wunderschön anzuschauen. Gelegentlich gibt er leise Schniefgeräusche von sich. Der eingetragene Verein der Gumpelfreunde e.V. hat sein ganzes Schaffen um den kleinen Finkenvogel aufgebaut und macht Werbung für die Haltung des Tierchens.

Aus der Broschüre „Ein Gumpel für das ganze Leben!“ entnehmen wir unter anderem die Information, dass ein Gumpel ausgesprochen zahm wird, flugfaul ist und solitär lebt. Er legt ab und zu ein paar gelbliche Eier und fühlt sich am wohlsten im Gesicht seines Besitzers.


Beteiligt:

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HikE Worth
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Susanne S.
Sprecherin

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Vogel der Woche: #035 - Die Nabelkrähe

25. Februar 2024

Heute: Die Nabelkrähe. Corvus corona garnix

Wir erinnern uns an die tragischen Schicksale von Rotkahlchen und Nactigall, sobald wir uns der Nabelkrähe gedanklich annähern.

Ein Vogel, plötzlich bar seiner Federn, fassungslos seinen blanken Bauch anguckend, ohne dass ihn, wie vormals noch, ein opulenter Körperplüsch und undurchsichtige Flusen an dieser Nabelschau hindern könnten.

Die Nabelkrähe, meine lieben Zuhörer_innen und Mit-Kopfkino-Pilot_innen, hat sich nichts anderes zuschulden kommen lassen, als zufällig einem Ereignis im Weg zu sein, welches bedeutend größer ist als sie.

Aber so geht es ja vielen von uns. Es gibt sogar Filme über dieses Thema. „Vom Winde verweht“, und so.

Also, die Nabelkrähe, sie tat es den beiden oben bereits genannten Vögeln gleich; zur Unzeit am falschen Ort sich befindend, porkelte sie gerade ihr Mittagessen aus Bodenkrume und unbewachtem Katzenfutternapf zusammen, nicht dabei achtend der Flamingos, welche um sie herum stelzten und ihre seltsamen Stampftänze um Wassereimer herum aufführten.

Man hieß sie damals noch die Nebelkrähe, und sie war Trägerin von schwarzem, stahlblau schimmerndem Voll-Gefieder mit grauem Nacken und grauer Brust, schmuck und glattgeleckt wie die Katze, deren Futterbröckchen sie sich nun einverleibte.

Ihre Wanderung ging von einem Tiergehege zum nächsten, weder Mensch noch Tier kümmerte sich um ihre Anwesenheit; sie war ein längst gewohnter Tischgast im Zoo; ihretwegen wurde einfach ein Halm mehr in die Raufe gelegt, und gut ist.

Dem Hasen-Futternapf entnahm sie ein Salatblatt, denn zu einem ausgewogenen Mittagessen gehören Vitamine. Die Mümmelmänner mümmelten, die Nebelkrähe nickte, und gut ist.

Corona störte dieses eingespielte Gleichgewicht zwischen Zoo- und Wildtier.

Im Elefantengehege geriet sie ins Armageddon der erkälteten Elefantendame Elsie, welche den Besuch der Nebelkrähe sehr gerne hatte und sie daher wie üblich mit dem Rüssel begrüßen wollte, aber ha-PFFRT… geht das Leben. Und das Gefieder.

Traurig kröchzt die Nabelkrähe.


Beteiligt:

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HikE Worth
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Vogel der Woche: #034 - Die Mailschwalbe

19. Februar 2024

Heute: Die Mailschwalbe. Delichon postica.

Wo die Mehlschwalbe, Künderin des Noch-Kein-Sommers, noch als lebendes Tier der Bevölkerung bekannt ist, kann es gelegentlich mal zu Verwechslungen mit unserem heutigen Vogel der Woche kommen. Allerdings nur zu oberflächlichen, denn die Mailschwalbe und die Mehlschwalbe unterscheiden sich erheblich in ihren Gewohnheiten.

Beide haben im Flugbild einen charakteristisch weißen Bürzel, bei der Mehlschwalbe ist dieser jedoch festgewachsen und besteht aus den hinteren Rückenfedern dieses Vogels, bei der Mailschwalbe ist der weiße Bürzel durch eine schriftliche Nachricht bedingt, welche sich der Piepmatz zwecks Transport auf den Buckel geschnallt hat und nun zu einem Empfänger trägt.

Die Mailschwalbe brütet in elektronischen Postkästen, nimmt dort kurze Nachrichten
entgegen und fliegt damit ähnlich wie eine Brieftaube zu einem anderen elektronischen
Postkasten. Sie tut das nicht ganz uneigennützig, denn am Zielort betreibt sie entweder Brutparasitismus, indem sie ein Ei in den fremden Kasten legt, oder sie nutzt die Zeit zu einem blitzschnellen Seitensprung, so dass es letztlich vollkommen egal ist, welches Ei in welchem Kasten von wem ausgebrütet wird, weil es von so ziemlich jedem Partner in jedem Kasten stammen könnte. Sämtliche Gender der Mailschwalbe fliegen herum und tragen Nachrichten und Gameten zu anderen Kästen, daher gibt es auch keinerlei Gezeter unter den Mailschwalben wegen der fremden Eier, die ja auch immer zur Hälfte die eigenen sein könnten.

Im Vergleich zur Brieftaube ist die Mailschwalbe natürlich ein winziger Vogel, sie kann also keine Pakete transportieren. Trotzdem breitet sie sich im ländlichen Raum der Bundesrepublik Deutschland gerade sehr schnell aus. Im Gegensatz zu den EU-Nachbarstaaten besitzt Deutschland ein sehr lückenhaftes, fast vorsintflutliches Mobilfunknetz.

Hierdurch wird den Mailschwalben in den ländlichen Regionen mit mangelhafter Infrastruktur ein stabiler Lebensraum geschaffen, in dem die Vögelchen den Transport elektronischer Nachrichten fast alleine bewältigen. Jeder menschliche Besitzer eines elektronischen Postkastens füttert seine Mailschwalben sehr gut mit leckeren Kleininsekten, damit das so bleibt.


Beteiligt:

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HikE Worth
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Vogel der Woche: #033 - Der Tätää

12. Februar 2024

Heute: Der Tätää. Clunis carnevalis.

„Der Winter ist zu Ende!“, pflegt man sich zu freuen, wenn die Zugvögel langsam wiederkommen. Und just zu dieser Zeit kommt auch der Tätää wieder ins Land. Nicht überallhin, zugegebenermaßen, dafür fällt er in manchen Gegenden ein wie die sprichwörtliche Biblische Plage. Stimmungstrunken, in unkontrollierbaren Schwärmen unterwirft er sich gnadenlos das Land, und wehe, man steht im Weg.

Denn das wichtigste Organ des Tätää – und auch seiner weiblichen Ausprägung, der Tätääte – besteht in erster Linie aus einem mächtigen Gesäß, das der Tätää vor allem für zwei Dinge benötigt: Zum einen, um es in rituellen Zusammenkünften plattzudrücken und zum anderen, um dich für den Rest des Jahres noch nicht mal mit jenem Gesäß anzuschauen.

Zu einem bestimmten Zeitpunkt allerdings, exakt am Donnerstag sechs Wochen vor dem ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond, verfällt der Tätää, und zwar der gesamte Schwarm gleichzeitig, in rhythmische Bewegungen, entweder in geraden Taktzahlen nach oben und unten oder in ungeraden Taktzahlen nach rechts und links.

Gleichzeitig wächst seine Nase zur Kugelform und verfärbt sich in ein leuchtendes rot. Biologen vermuten, dass diese Veränderung hauptsächlich dem gegenseitigen Erkennen sowie als Beschwichtigungs-Signal im sonst normalen Revierkampf dient.

Denn in diesem Zustand kollektiver Trance ist der Tätää plötzlich dein bester Freund, ob du willst oder nicht. Der Tätää ist – so sieht er sich zumindest selbst – zu diesem Zeitpunkt extrem tolerant.

So tolerant, dass z.B. keine Tätääte in dieser Zeit eine plumpe Anmache oder das begrapschtwerden durch einen Tätää ablehnen darf, so tolerant, dass in den Zusammenkünften der Tätääs, von Ihnen selbst als Sitzungen bezeichnet, jeder uralte, geschmacklose, rassistische oder sexistische Witz mit johlendem schenkelklopfendem Beifall honoriert wird, so tolerant, dass komatöse Sturztrinker reihenweise in ihren eigenen Kotzteppichen ausrutschen und sich die Pappnasenfresse im ebenfalls selbst produzierten Scherbenteppichen aufschlitzen.

Letztere wird dann wieder zusammengenäht, erstere und allerletztere von der Stadtreinigung beseitigt, beides natürlich dann auf Kosten der Allgemeinheit.

Die Tätääs verschwinden nach fünfeinhalb Tagen genauso plötzlich von der Bildfläche, wie sie vorher aufgetaucht sind, nicht ohne sich vorher noch schnell von Dompfaffen absolutieren zu lassen.

Die Wissenschaft hat dieses Phänomen des plötzlichen Auftauchens und Verschwindens des Tätääs bis heute nicht ausreichend erklären können. Man geht allerdings mittlerweile davon aus, dass der Tätää kein wirklicher Zugvogel, sondern eine temporäre Mutation endogener Populationen ist. Ob diese Mutationen mit den ähnlich halbintelligenten Schwärmen vergleichbar sind, die gelegentlich Synagogen, Wohnhäuser oder Bücher in Brand setzen, unter lauten Gesängen bewaffnet in fremde Länder einmarschieren, oder ähnliches tun, was eben aufgeputschte dumpfe Massen eben so tun, ist ebenfalls noch nicht hinreichend geklärt.

Bis dahin empfehlen wir die innere Emigration oder die Flucht ins benachbarte Ausland, spätestens beim ersten Erklingen der Signale zur herannahenden Massenmutation.


Beteiligt:

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Raspelii
Text, Sprecher

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Vogel der Woche: #032 - Der Graupel

5. Februar 2024

Heute: Der Graupel. Niveara granularis.

Dieser Vogel ist ein Wintergast und kommt meist aus heiterem Himmel. Menschen kriegen von ihm meist nur mit, dass er im Winter mausert, und zwar überhin. Und in kleinen Bröckchen. Andere Vögel werfen Federn ab, der Graupel graupelt. Das ist so ähnlich wie Knispeln, was die Wellensittiche tun. Nur halt keine kleinen Schüppchen und so, sondern Bröckchen. Eigentlich ziemlich eklig, wenn man so drüber nachdenkt.


Beteiligt:

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HikE Worth
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Vogel der Woche: #031 - Der Pinguan

29. Januar 2024

Heute: Der Pinguan. Aptenodytes iguanus.

Vögel sind, zumindest technisch gesehen, Reptilien. Dass ihnen eine eigene systematische Gruppe zugestanden wird, liegt nur daran, dass sie Federn haben und traditionell jedem auf den Zeiger gehen, der draußen ein Päusken machen will. Und zwar unabhängig davon, ob es draußen -40 °C oder +80 °C ist.

In der Wüste kacken einem die kreiselnden Geier hoffnungsvoll aufs Haupt – hoffnungsvoll deswegen, weil sie sich wünschen, dass Du ihr nächstes Mittagessen darstellst. In der Antarktis kreiseln sie zwar nicht über Dir, aber sie können Zielscheißen. Mit übertrieben vielen Atü Druck.

Der Pinguan ist eindeutig als Reptil zu erkennen. Er ist grün und hat Schuppen. Und er steht bei -40 °C Grad auf ’ner Eisscholle. Und echt jeder normale Ornithologe fragt sich, was zum Teifi dieser Vogelreptiloid da macht. Denn brüten tut der Pinguan nicht. Meist steht er nur ‚rum und fixiert mit giftigem Blick eine Horde Ornithologen, die sich ihm unauffällig in neonroten Thermostramplern zu nähern versuchen. Wenn sie zu nahe kommen, gibt er auch schon mal ein paar Geräusche aus seinem akustischen Inventar zum Besten, das direkt aus den Repertoires der Vertonungs-Ingenieure der Stan Laurel & Oliver Hardy Filme stammen könnte, und wofür die gesamte Vogel-Gruppe so überschwenglich gelobt wird.

Federn haben und Töne machen.

Na ja, im Falle des Pinguans sind es ja Schuppen. Brettartige, panzerharte, teilweise stachelige Schuppenfedern, um genau zu sein, und dadrunter eine Fettschicht, die ihresgleichen auch in heutiger, amerikanisierter Supersize-Me-Zeit echt noch sucht.

Im Schnabel des Pinguans gibt es kleine Zähnchen, eine Sache, die Vögel heutiger Bauart für gewöhnlich aufgegeben haben. Die Entenvögel haben diesen Verlust nachträglich bedauert und in Form von Reusenlamellen nachdesign’t, ganz wie ein Bartenwal, der ebenfalls eine Lamellen-Schalousie im Mundbereich zur Ernährung installiert hat.

Der Pinguan hat noch echte Hauer. Meist nutzt er sie dazu, vor der Kamera besonders böse dreinzuschauen.

Man weiß über den Pinguan wenig, denn selbst in neonroten Thermostramplern kann man nicht lang genug in seiner Nähe sein, um mehr als sein ausgiebiges Drohverhalten zu beobachten.

Er scheint ein neuer Vogel zu sein, und wenn er gerade mal nicht dicke Ornithologen-Wickelkinderteams bedroht, dann steht er wie ein Kormoran mit abgespreizten Flügeln herum und scheint Photosynthese zu betreiben. Aber das ist nur ein optischer Eindruck, denn Photosynthese können weder die Reptilien noch die Vögel.

Guten Morgen.


Beteiligt:

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HikE Worth
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Vogel der Woche: #030 - Die Schneepfe

22. Januar 2024

Heute: Die Schneepfe. Tussi clamottis.

Der Winter ist usselich, der Schnee pappig und das Eis in der dritten Schicht unter der Matschepampe glitschig wie Crisco im Darkroom. Also Grund genug, schön da­heim im Nestchen zu bleiben, dem Kamin beim Flackern zuzuschauen und den Win­ter einen guten Schneemann sein zu las­sen.

Oder, wenn es denn sein muss, mindestens drei Lagen Zwiebelschale drübergerollt, in die Mondstiefel gestiegen, Ohrenklappen­oberkappe auf den Schädel, und dann nur den nötigsten Weg, zum Beispiel frische Brötchen holen behufs der Bekämpfung des Neujahrskaters.

So macht sich der durchschnittliche Vogel­ freund auf den Weg in die subarktische Wildnis, wohldurchdacht und mit sorgfältig berechneter Chance auf unversehrte Wie­derkehr.

Und was hat das alles mit Vögeln zu tun?

„Sehr viel!“ schießt uns der Gedanke durchs Hirn, während wir uns mit einem be­herzten Satz hinter den Straßenrand­schneewall retten vor einer mit Sommer­reifen dahinschlitternden Ford Ka­-Nistkugel mit Drittlackierung in zartem Pink. Wir hö­ren noch zwei Takte von „La Isla Bonita“ aus schlechten Lautsprechern, bevor uns die abgerutschte Schnee-­Dachlast der rol­lenden Nistkugel kalt erwischt.

Der Ornithologe in uns hat natürlich längst auf höchste Alarmstufe geschaltet, hat er doch, kurz bevor ihn die Schneelawine ver­schüttete, hinter den angelaufenen Schei­ben der Nistkugel noch ganz deutlich einen Stummelflügel mit Handy am Ohr erblickt.

Eine Schneepfe!

Eines jener seltenen Exemplare jener Vogelart, die zwar im Winter hierbleibt, aber nicht aufgrund evolutionärer Winkelzüge, sondern weil sie einfach andere Prioritäten setzt, wie z. B. effektiv nichts zu schnallen, dabei aber – zumindest nach eigener Auffassung – immer super auszusehen.

Und da öffnet sich schon die Nistkugel, kurz nachdem sie mitten auf der Straße irgend­wie, aber doch genau vor der Bäckerei, zum Stehen gekommen ist. Heraus schieben sich zwei Füßchen in Schlangen­lederimitat­-Stiefeletten, profillos wie ihre Trägerin, aber mit Absätzen der Kategorie fünfzehn plus. Gefolgt von zwei Beinen in gemusterten Leggings, den Bürzel verhüllt von einem H&M Daunenjäckchen, aprikotfarbene Lippen und der von braun nach blond changierende Kopfputz zusammen­gehalten von einem Fleece­-Stirnband mit Ohrenschützer­-Puscheln drüber.

Und das Prachtexemplar der Schneepfe stöckelt über Eis und Glitsch, bis es sich nicht mehr an der Autotür festhalten kann!

Legendär dann der Bruch im Absatz, das H&M­-Jäckchen in der Matschepampe und der Balzruf der Schneepfe durch das immer noch ans Ohr gehaltene Handy: „Schatz, du mir ist da was gaaanz schlimmes passiert, Kannste mich abholen? – Wie, der Spoiler geht zu tief runter?“

Aber da kommt schon die Bäckereiver­käuferin mit dem Vogelfutter: „Ein Mehrkorn und ein Schokokrosang light, das nimmt die jeden Tach. Isses recht so?“

Und wir Hobbyornithologen freuen uns still über die seltene Begegnung, hat uns der Winter doch wieder eine alle Vorurteile bestätigende Erkenntnis frei Haus geliefert:

Die Schneepfen sterben nicht aus. Die Dummheit auch nicht.


Beteiligt:

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Raspelii
Text, Sprecher

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