Vogel der Woche

Die Welt aus ornithomanischer Sicht!

Die Welt ist lustig, insbesondere aus Sicht der Vogelkundler. HikE schreibt seit vielen Jahren den „Vogel der Woche“. Angefangen hat die Serie im Morgenmagazin von Radio Unerhört Marburg, fortgesetzt wurde sie im Podcast Quatschbrötchen.

Vogel der Woche: #056 - Der Wetterhahn

22. Juli 2024

Heute: Der Wetterhahn. Gallus metereologicus.

Der Wetterhahn wird in den letzten Jahren immer mehr herausgefordert durch den Klimawandel bei gleichzeitigem Beharren einer treuen Fangemeinde auf zuverlässige Vorhersagen. Er ist auf seinem Gebiet ein Gott, allerdings einer auf Abruf (um mal die Musikgruppe „Letzte Instanz“ an dieser Stelle zu zitieren).

Der Kachelmann als Beispiel für einen der prominentesten Wetterhähne musste bereits vor Jahren seinen Balzplatz räumen, nachdem ihm aus der Gläubigengemeinde unsachgemäß-übergriffiger Umgang mit Wetterhennen vorgeworfen worden war.

Ob diese Diskussion zu Recht oder Unrecht besteht, soll hier aus ornithologischen Gründen mal ausgeklammert werden.

Was bei solchen Diskussionen jedoch immer vergessen wird, ist, dass der Wetterhahn das Wetter ebensowenig macht, wie der Wasserhahn das Wasser macht. Diese simple Wahrheit vergessen bisweilen leider auch die Wetterhähne selbst, und dann versteigen sie sich bisweilen in Personenkulte und leisten sich Übergriffe, anstatt ihre Göttlichkeit einfach anzunehmen und auszufüllen.

Dabei hat der Wetterhahn so viel mehr und soviel Wichtigeres zu tun. Wo geht es zum Beispiel in den nächsten Jahren mit unserem Klima hin? – Lieber Wetterhahn, bitte berichte.


Beteiligt:

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HikE Worth
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Vogel der Woche: #055 - Der Siedetaucher

15. Juli 2024

Heute: Der Siedetaucher. Gavia therma.

Dieser Vogel lebt bevorzugt in heißen Ge­wässern. Sollte er versehentlich in kalte Flüssigkeiten geraten, so ändert er dies schnell, indem er seine Füße auf 100 °C aufheizt. Findige Feldforscher und erfahre­ne Weltreisende haben gerne einen dieser Vögel im Gepäck, da sie auf diese Weise immer schnell ’nen Kaffee oder ’ne Tüten­suppe zubereiten können. Allerdings müs­sen sie aufpassen, dass er im Gepäck nie­mals nass wird, ansonsten brennt er gelegentlich auch schon mal ein Loch in den Rucksack.

Außerhalb von Flüssigkeiten ist der Siede­taucher harmlos.


Beteiligt:

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HikE Worth
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Désirée Börner
Sprecherin

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Vogel der Woche: #054 - Der Starr

8. Juli 2024

Heute: Der Starr. Sturus vulgaris.

Der Starr ist einer der Vögel, die man fast nur in Massen antrifft. – Nicht, dass er gesellig wäre – er weigert sich nur, wieder wegzufliegen, wenn er einmal irgendwo steht. Und durch diese Provokation werden immer mehr Starre verleitet, das Gleiche zu tun.

Die Folge: ständiges Gedrängel, Gezeter und – Nachahmen anderer Vögel (diese reagieren auch auf die „Provokation“), um den „Gegner“ gezielt und ungestraft, da unverständlich, beschimpfen zu können. Im Falle einer verständlichen Beleidigung kommt es zu einem Flugduell.

Selbst ohne dumme Sprüche reagieren Starre im Luftraum sehr spitz aufeinander – sie haben kantenverstärkte zugespitzte Flügelenden, um es dem anderen möglichst schwer zu machen – im Leben und im Flug. Ständige Sticheleien sind ebenso an der Tagesordnung wie die spitzen Schreie der Ausgestochenen.

Auf dem Boden haben Starre einen wackligen, unbeholfenen Gang, da sie das Laufen wegen ständiger Sturheit nicht gewöhnt sind.

Dafür haben sie ein um so lauteres Organ, denn wenn nur wenige Starre in der Nähe sind, müssen sie sich über weite Strecken hinweg anschreien können, damit es ja bald voll wird auf ihrem Sitzplatz.

Wie sich die Starre fortpflanzen, ist noch nicht geklärt. Scheinbar wird der Hass auf Artgenossen zu bestimmten Zeiten durch irgendeinen hormongesteuerten Mechanismus unterdrückt (wie bei anderen einzelgängerischen Arten beobachtet). Das Starr-Weibchen sitzt so fest auf ihren Eiern, dass die schlüpfenden Jungen sie regelrecht verprügeln müssen, damit sie auch nur einen Fuß hebt. So ist wenigstens das Bebrüten sicher.

Der Starr wird oft Opfer von Katzen und anderen Beutegreifern, da sein Fluchttrieb bis zum Minimalen verkümmert ist. Aber das macht er durch seine großen Populationen wieder wett. Außerdem werden Beutegreifer auch durch die meist riesigen Stückzahlen verwirrt, so dass es fast nur einzeln sitzende Starre sind, die erbeutet werden.


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HikE Worth
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Klara
Sprecherin

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Vogel der Woche: #053 - Der Rundfink

1. Juli 2024

Heute: Der Rundfink. Fringillalala phonetica.

Kennen Sie das: Sie halten gerade ahnungslos im Freiland das Mikrofon in die Menschenmenge und plötzlich – aus heiterem Himmel – taucht ein Schwarm kleiner aber äußerst lästiger Vögel auf. Diese fliegen aufgeregt um Ihren ausgestreckten Arm herum und veranstalten einen Höllenlärm, in dem das, was Sie eigentlich aufnehmen wollten – Ihren Interviewpartner, den Karaoke-Einsatz der ortsansässigen Bürgermeister, egal was – einfach, brutal, schlicht und gnadenlos übertöst wird.

Das, lieber Freilandreporter, sind die Rundfinken. Die brüllen Ihnen die schönsten O-Töne und Interviews nieder, die besitzen die Fähigkeit, eine für ihre geringe Körpergröße erstaunlich lärmige, bollerige und niederfrequente Geräuschkulisse zu erzeugen.

Versuchen Sie einfach mal zum Scherz, das Mikrofon während einer solchen stattfindenden Fringilliden-Attacke an Ihren eigenen Mund zu halten, um eine Silbe zu sprechen – Sie werden, kaum dass Sie den Mund öffnen, auch schon einen der übereifrigen Rundfinken zwischen den Zähnen halten und den Würgereiz kriegen, weil die Federn des putzigen Gesellen im Ihrem hinteren Rachenbereich herumwerkeln.

Auf bestimmten Konzerten – vorrangig Open-Air-Popkonzerten – tauchen diese Vögel auch auf, allerdings in der Unterart des Funkfinken. Sie stören an solchen Orten durch extrem ungelegen kommende rhythmische Einwürfe in der Nähe des Mikrofons. Hiergegen hilft nur der konsequente Einsatz eines Pop-Schutzes.

Freilandreporter werden den Rundfinken allerdings nicht los, indem sie einen simplen Windschutz oder Popschutz über das Mikro drüberziehen; denen hilft nur ein einziger Tipp, den ich hiermit zum Besten gebe:

Verkleiden Sie Ihr Mikrofon als Katze, und Sie haben im wahrsten Sinne des Wortes atmosphärische Ruhe.


Beteiligt:

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HikE Worth
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Vogel der Woche: #052 - Die Pumpgans

24. Juni 2024

Heute: Die Pumpgans. Branta pneumatica.

Die Pumpgans Branta pneumatica, ein eher friedlicher und träger Geselle, ist ein Import­schlager aus den U.S.A. Sie ist verwandt mit der Ringelgans, lebt genau wie diese gern gesellig auf irgendwelchen Weideflä­chen oder Schlick-, Watt- und Strand­habitaten und hat, obwohl sie langsam, ge­mütlich, kein bisschen scheu und wohlschmeckend ist, keine natürlichen Feinde.

Das verdankt sie ihrer namengebenden Eigenschaft, über das Vollpumpen ihrer Luftsäcke einen enormen Druck im Körperinneren aufbauen zu können, der dann mittels eines kleinen Hebelchens durch eine Art Tank mit einer Art Düse wieder abgelassen werden kann. Hierdurch befördert die Pumpgans ihre Exkremente auf eine spektakuläre Weise sehr weit.

In ihrem natürlichen Verbeitungsgebiet wird sie gelegentlich von Rangers eingesetzt, die sich einfach Pumpgänse von der Weide holen, um damit kleinere Waldbrände in den Nationalparks auszusch…ßen. Nach Benut­zung stellen sie die Pumpgänse einfach zurück auf die Weidefläche.

In den deutschsprachigen Raum wurde die Pumpgans eingeführt als Haus- und Frei­zeittier. Paramilitärisch angehauchte Perso­nenkreise liefern sich damit gelegentlich wüste Schlammschlachten.

Der deutsche Kleingeist machte aus der harmlosen Pumpgans aber noch viel mehr, und musste es dabei natürlich auch – wie immer – gleich übertreiben. Die größte Pumpgans die jemals gezüchtet wurde, heißt WaWe 10.000 und lebt derzeit in einem Spezialgehege in Hamburg, nach­ dem der vormals sehr stolze Züchter Rosenbauer miterleben musste, wie 10.000 Liter Pumpgans-­Gülle seinen direkt neben dem Pumpgans­-Gehege liegenden, überaus geliebten Hobby­-Kürbisgarten vom Antlitz der Erde weg­pumpten.

Da die Polizei Hamburg großes Interesse an dem infernalischen Entengiganten zeigte, verkaufte Rosenbauer seine Züchtung und will seitdem niemals wieder was mit Pumpgänsen zu tun haben. Nun züchtet er wieder aus­schließlich Riesen­-Pumpkins.

Und die Polizei Hamburg sucht seitdem regelmäßig nach Betätigungsmöglich­keiten für ihren WaWe 10.000.


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HikE Worth
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Ole
Sprecher

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Vogel der Woche: #051 - Die Klaumeise

16. Juni 2024

Heite: Die Klaumeise. Parus verlusticus.

Klein, unauffällig und völlig harmlos – das ist das Image, was sich die Klaumeise selber gibt. „Düdeldü“ machend hüpft sie zierlich im Gebüsch von Ästchen zu Ästchen, um in der Sekunde, in der man sie endlich für eine harmlose Randerscheinung erklärt hat, gnadenlos zuzuschlagen und stehlerische Meisterleistungen zu vollbringen.

Es ist, als ob an dieser Meise einfach alles im Vorbeiflug kleben bleibt, was auch nur einen halbwegs eingebildeten materiellen Wert hat: Silberlöffel, Uranerze, Perlenketten, Swatch-Watches, Aktien, Kontodaten sind einige der weltlichen Luxusgüter, um die die Klaumeise den Menschen gemeiniglich erleichtert.

Blöderweise klaut die Klaumeise auch Gedanken und Ideen; dieser Raub ist sogar als noch viel schwerwiegender einzuschätzen als das schnöde Hermelinkragenabmontieren. Mit schönster Regelmäßigkeit läßt die Klaumeise nämlich an prominenten Positionen entleerte Köpfe zurück, wo vormals noch ein sinnvoller Gedanke war.

Achten Sie also in Zukunft sehr drauf, wenn zum Beispiel von einem Politiker in allerschönstem Volksmund behauptet wird: „Der hat ne Meise“, ob das nicht ne Klaumeise ist.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #050 - Der Möhrchi

10. Juni 2024

Heute: Der Möhrchi. Psittacus daucus.

Die Möhrchis – kleine dickliche grausilberne Vögel – fliegen einmal im Jahr von Japan nach Deutschland und machen dabei auch eine ausgiebige Rast im Wattenmeer.

Dort kann man die putzigen Gesellen dann mitt’m Fernglas beobachten, wie sie zwischen den Möhrenträgern – Haematopus daucoleus – und anderen Limikoliern in größeren Herden im Schlick rum stochern.

Möhrchis gehören zu den Papageien und sind eng verwandt mit den westafrikanischen Graupapageien (Psittacus erithacus). Und sind genau wie diese sehr intelligent.

Man kann sie zähmen…

[O-Ton Gregor-Oma mit Möhrchi]

… und man kann ihnen sogar beibringen, Ja und Nein zu sagen.

[O-Ton Gregor-Oma mit seinem zahmen Möhrchi]:
Will der Möhrchi einen schönen Keks? Möp Möp
Oder will der Möhrchi ein schönes Glas Öl? MÖÖÖP
Feiner Möhrchi! Gluckern von Öl [/O-Ton]

In freier Natur sind Möhrchis sehr sozial, sehr laut und grundsätzlich in großen Rudeln anzutreffen. Was sie in jedem November von Japan nach Deutschland zieht, ist ihr Brutort. Möhrchis brüten nämlich in Eisenach in Thüringen, was auch bedeutet, dass jeder einzelne Möhrchi in Eisenach gebaut, äh geboren wird. Und zwischendurch rasten sie – wie gesagt – im Wattenmeer, und ziehen dann weiter zu ihren kleinen lustigen Nestern.

Mooooment.

[Polizistenbrüll] Was wird das hier? Was treibt [ausgerechnet] einen Papagei zusammen mit den Limikolien ins Wattenmeer? [/P]

… werden Sie sich nun fragen.

Ganz einfach: Das hängt zusammen mit dem Nahrungsangebot im Wattenmeer.

Dort gibt es ja laut der Website der Wattenmeerkulinarik Event & Schnöselei Company Gifthorn nicht nur:

[Säuselsprecher] Wattwürmer, tote Seehundbabys, Strandkrabben, Butte, Klaff­muscheln, Algen und Interstitialfauna [/S]

zu essen, sondern auch:

[Säuselsprecher] reichhaltige Ölvorkommen in verschiedenen Darbietungsformen von frisch angezapften Feldern bis zu jahrelang vor sich hin verklumpten Strandanschwemmseln [/S].

[Polizistenbrüll] Und warum fliegen Möhrchis eigentlich nur einmal im Jahr ins Watt? – Nach Adam Riese ist das einmal zu wenig! [/P] (hui – ein Polizist kann Adam Riese…)

Limikolien fliegen immerhin zweimal im Jahr – einmal hin, einmal zurück?

Auch das erklärt sich blitzartig, wenn Sie an die vielen, vielen Limikolien denken, die zusammen mit den Möhrchis den weiten­ Weg über eine der berühmtesten Vogelzugstrecken der Welt machen.

Ja, es ist unglaublich aber es stimmt. Möhrchis fliegen einmal. Und zwar von Japan nach Europa. Denn auf dem Rückweg­ nach Japan werden sie getragen – von den­ Möhrenträgern – Haematopus daucoleus.

So, und jetzt wissen Sie auch, woher die Möhrenträger ihren Namen haben! Guten Morgen.


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HikE Worth
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Gregor Börner
Sprecher

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Vogel der Woche: #049 - Der Spätzle

3. Juni 2024

Heute: Der Spätzle. Passerulus schwabus.

So’n echter Spätzle tschilpt nicht wie so’n schnöder Spatz, sondern er sagt „Tschilple Tschilple“. Das heißt so viel wie Moin Moin, also übersetzt ’n Guten ’n Guten. Oder Hallöle Hallöle, zu deutsch: Hallihallo. Dieses bitte nicht verwechseln mit Halligalli oder Halali Halalo, und auch nicht mit Halogen, Halloren oder Halluzinogen.

Der Hall ist einem echten Spätzle nämlich ziemlich egal, quasi wurscht’le – dort unterscheidet er sich von vielen anderen Vogelarten, welche Hall schier super finden und sich drin in Wollust wälzen könnten, wenn sie welchen fänden, also einen Hall, und falls der obendrein drin-wälzbar wäre, so als Eigenschaft – übrigens eine, die Hall nicht ohne komplizierte technische Nachrüstung aufweist.

Nein, der Spätzle ist bodenständig. Und zwar boden-grund-anständig, grund-und-boden-anständig, ständig ohne Grund am Boden, oder geht dem Boden auf den Grund. Wenn nicht sogar auf den Leim, womit wir beim Thema Vogelfang wären. Den Spätzle fängt man nicht mit Leim. Den Spätzle fängt man mit einem Netzle.

Den modernen Spätzle auch schon mal mit einem Internetzle, wo er sich heillos in den Suchmaschinen verheddert oder im Face’le-book über jede einzelne seiner gemauserten Unterarmschwingen Rapport tut, und genau diese Unterarmschwingen kannste anschließend in der Reihenfolge ihres Ausfallens Original bei Ebay’le zwecks Nachrüstung Deines eigenen Unterarms erwerben. Wer also schon immer einen spätzlefederbespickten Ellbogen haben wollte, kann das jetzt auch haben.

So fängt man zwar den Spätzle im Netzle – aber auch der Spätzle fängt uns.
Denn es gibt immer zwei die dran hangen, wenn’s irgendwo einen zerrt.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #048 - Löffler, Gäbler, Messerer

27. Mai 2024

Heute: Löffler, Gäbler & Messerer. Platalea platyrhynchos, forkensis et kniveus.

Der Löffler ist der einzige Vogel, dessen Haltung in Gefängnissen ausdrück­lich erlaubt ist. Sein Schnabel gleicht kei­nem spitzen Gegenstand aus der Besteck­schublade und kann entsprechend auch nicht als Waffe missbraucht werden. Rund, weich und löffelig ragt er aus dem Gesicht des Vogels heraus, immer bereit, ’ne ordent­liche Schippe Suppe zu schlappen.

Ganz anders hingegen der Gäbler: drei bis vier spitze, lange, gefährlich scharfe und leicht gebogene Zinken bezeichnen das vordere Ende die­ses Tiers, und wer es wagt zu kichern bei diesem Anblick, hat flugs Bekanntschaft mit der Frontbewaffnung geschlossen.

Der Gäbler lebt eigentlich davon, längliche Dinge aus dem Flachwasser heraus zu reu­sen, die dazu neigen sich in forkenartigen Fortsätzen zu verfangen, doch bei Gekicher über seine Nase kennt er nichts. Außer­dem reizen den Gäbler Erbsen zur Weißglut – man kann ihn locker um die fruchtbaren Jahre seines Lebens bringen, indem man ihm ein Kilo Tiefkühl­-Erbsen vorschüttet – und anschließend beobachet, wie sich der Hass des Gäblers in fulminanten Attacken auf die grünen kleinen Gemüse äußert und einfach nur steigert. Aus irgend einem Grunde keschert er die nahrhaften Samen der Pisum­-Pflanze nicht einfach, sondern versucht die davonflitschenden Kügelchen mit einer Ausdauer zu erstechen, die nicht mehr diesseits der Grenze der Normalität angesiedelt ist.

Irgendwann in der Evolution des Gäblers muss es eine Zeit gegeben haben, in der kleine grüne Dinge eine bedeutende Bedro­hung für die Art darstellten. Anders kann man sich diese nicht nachlassende Emo­tionalität einfach nicht erklären. Gerüch­teweise soll das exzessive Verhalten des Gäblers irgendwie mit dem Aufkommen der Löffler-Pisastudie zusammenhängen.

Der Messerer sieht nach einem normaleren Vogel aus als seine beiden eng verwandten Kollegen. Jedoch ist seine Harmlosigkeit nur vorgetäuscht. Seinen Schnabel kann man als stumpf bezeichnen – ungefähr so stumpf wie ein gewöhnliches Besteckmesser – und genau das macht ihn so gefährlich. Der Messerer ist eine Art Tagträumer, der meistens ir­gendwo durch die Gegend schwebt und ganz woanders hin guckt – und im anschei­nend falschen Moment über irgendwas stol­pert, beim Fallen anscheinend entsetzt den Kopf in Fallrichtung dreht …

Jeder weiß, dass die stumpfen Messer für die grässlichsten, am widerlichsten aus­gefransten Stichverletzungen im Haushalt verantwortlich sind. An stumpfen Messern haften Bazillen besser als an scharfen, stumpfe Messer reißen und quetschen mehr Gewebe kaputt wie Pflaumenmus, als es sauber zu durchtrennen. Verlet­zungen durch stumpfe Messer tun weher, pochen mehr, sind besseres Biotop für quetschgewebewasser­inhalierende Le­bensformen.

Und Verletzungen von stumpfen Messern hinterlassen pustelige, aufgeworfene, ge­zackte und schrundig zerklüftete Narben­-Gebirge, in denen diverse Lebensformen lange ’ne Wohnung finden und ungeheure Parties feiern – Eiterenten, Schorf­gemsen, Abszessinische Ziegen, Faltenkrähen, Schleimböcke, und nicht zu ver­gessen, Frühschicht-Murmeltiere… und all das auf einem Handrücken. Eine mikro­skopisch kleine, aber ganz eigene Welt.

Nun, der Messerer ernährt sich von den Fleischfetzen, die sein stumpfer Schnabel aus dem herausreißt, über das er stolpert.

Er fällt sozusagen über sein Essen, und da er sich nicht schnell bewegt, läuft sein Essen auch nicht weg – was klüger wäre – sondern es hält ihn für harmlos.

Irrtum, meine lieben Leute!

Schon der alte Volksreim sprischt:

Messerer, Gäbler, schweres Lischt

sind für heile Hände: nüscht!


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HikE Worth
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Désirée Börner
Sprecherin
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Gregor Börner
Sprecher

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Vogel der Woche: #047 - Der Fietsenraubsänger

20. Mai 2024

Heute: Der Fietsenraubsänger. Phylloscopus bicyclica.

Der Fietsenraubsänger ist ein heimtückischer Geselle. Immer auf der Suche nach unabgeschlossenen Zweirädern, treibt er sich im Gebüsch und in allerhand dunklen Ecken herum, und probiert, wenn keiner hinguckt, auch schon mal mit seinem kurzen, pinzettenartigen Schnabel, ein Zahlenschloss zu knacken.

Wenn er ein Fahrradschloss nicht knacken kann, dann macht er das Rad kaputt.

Erst beginnt er mit einem vorsichtigen Picken nach dem Vorderreifen, was meist nichts anderes zur Folge hat, als dass der Fietsenraubsänger Schnabelschmerzen bekommt, wenn der Reifen prall aufgepumpt war. Sobald der Schnabelschmerz nach einer halben Stunde wieder abgeklungen ist, hackt er sehr viel energischer zu, was ihn eine Stunde außer Gefecht setzt.

Wenn er danach auf dem Rücken liegend wieder aus seiner Ohnmacht aufwacht, dann beginnt es in dem 20 Gramm schweren Vögelchen regelrecht zu gären. Als erstes Mal kackt er vor Wut auf den Sattel, und dann zieht er sich zur Beratung mit Seinen Finsteren Kräften zurück.

Sollte dies ein Tag sein, auf den eine Vollmondnacht folgt, dann sieht es für das Zweirad ziemlich übel aus…

… denn der kleine, harmlos gelbliche Fietsenraubsänger, der einen unvoreingenommenen Beobachter eher an an einen winzigen, scheuen Singvogel erinnert, von dem man mehr hört als sieht – einige seiner engsten Verwandten sind zum Beispiel der Waldlaubsänger, der die Bäume im Frühjahr wieder grün singt, und der Ziepzalp, der die Mädchen an den Haaren zieht…

… also, dieser kleine gelbliche 20-Gramm-Macho, der verwandelt sich im Falle des Zusammentreffens von vorangegangener Provokation und Vollmond leider in eine unglaublich wuchtige, aber ebenso gelbliche Planierraupe.

Er bezieht zu seinem Schadwerk des Nachts Position auf halber Höhe des Vorderrades, und sobald ihn ein Mondstrahl direkt trifft – ZAMPF, KRACH! – Planierraupe, Vorderrad beugt sich der Gewalt, Wolke vor Mond, FLUFFIDI! – wieder winziger Vogel, der sich dann auf halber Höhe auf’s Hinterrad setzt und erneut auf einen Mondstrahl wartet.

Wenn ein solcher Fietsen-Raubsänger besonders schlecht gelaunt ist, dann kann er das auch schon mal die ganze Nacht hindurch mit Hunderten von Zweirädern treiben, egal ob abgeschlossen oder nicht. Ganz anders ist natürlich die Lage, wenn kein Vollmond ist. In diesem Fall sitzt der rasend wütende Fietsenraubsänger einfach nur so auf halber Höhe auf dem Vorderrad und piept ab und zu seinen recht possierlich klingenden Wut-Laut vor sich hin. In diesen Fällen wird er ob seines feinen Stimmchens für gewöhnlich mit einem nächtlichen Goldhähnchen verwechselt.

Sollte der Fietsenraubsänger auf ein unabgeschlossenes Fahrrad treffen, so schwingt er sich schleunigst auf den Sattel und beginnt lauthals: „Ja wir sind mit’m Radl da“ zu trällern, während er von einem Bein aufs andere hüpft.

Angesichts seiner kurzen Füße kommt er nicht an die Pedale heran, und somit auch nicht vom Fleck – das scheint ihn aber nicht weiter zu stören. Hier scheint es wohl um das Prinzip der Klaubarkeit des Zweirades zu gehen.

Aus diesem Grunde stellen verständnisvolle Vogelschützer auch mittlerweile an allen möglichen Ecken einer Fietsenraubsänger-besiedelten Stadt sogenannte Unlock-Fahrräder auf, auf denen sich die kleinen Vögelchen wie der Boss fühlen können. Dies reduziert das Plattstampfen der anderen Zweiräder in der Stadt deutlich.


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HikE Worth
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