Vogel der Woche

Die Welt aus ornithomanischer Sicht!

Die Welt ist lustig, insbesondere aus Sicht der Vogelkundler. HikE schreibt seit vielen Jahren den „Vogel der Woche“. Angefangen hat die Serie im Morgenmagazin von Radio Unerhört Marburg, fortgesetzt wurde sie im Podcast Quatschbrötchen.

Vogel der Woche: #081 - Die Schanzmeise

13. Januar 2025

Heute: Die Schanzmeise. Parus hueppedi.

Eine letzte Gelegenheit zur rutschigen Gaudi nutzt nun die kleine, hurtige Schanzmeise, die auf ihren Brettln das Walter­ Vogelweid’sche „Tandaradei“ juchzend die vereisten Inkrustationen hiesiger Hausdächer hinunter brezelt, um sich von der unten vor dem Abgrunde starrenden Hohlkehle der Dachrinne flugs in olympische Höhen katapultieren zu lassen.

Nur die auf den meisten Dächern installierten Lawinenfanggitter stören sie etwas bei ihrem putzigen und durchaus harmlosen (Sage allerdings niemals jemand laut „harmlos“, wenn eine Meise anwesend ist. Ich erinnere an die Klaumeise und die Strumpfmeise.) Luftraum-Vergnügen.

Wenn die Schanzmeise genug gehüpft ist, dann schnallt sie die Brettln ab und baut ein Nest, bringt ihren Kindern Rollschuhfahren bei, und dergleichen Unfug mehr.


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Vogel der Woche: #080 - Der Leitervogel (1)

6. Januar 2025

Der Leitervogel (1). Cheffus grylle.

Vom Leitervogel sieht man eigentlich nur zwei Körperteile, und das ist abwechselnd der scharfe, spitze Dolchschnabel oder halt das entgegengesetzte Ende.

Den Dolchschnabel setzt er ein, wenn er von den Vögeln unter seinem Niveau etwas benötigt, zum Beispiel deren Arbeit, einen willfährigen Hennenkörper, Gefiederpflege oder ganz ordinär was zu beißen. Er lässt sich gerne auch das Wasser reichen, vorzugsweise das mit Koffein oder das mit Feuer.

Mit dem anderen Ende lässt der Leitervogel die Untervögel sehr genau und auch sehr gezielt spüren, was er von ihnen hält, diese Sch…mierfinken die es nicht wert sind seinen Bürzel aufgehen zu sehen, und für die er doch diese tiefe Herzensliebe eines strengen Vaters zu seinen nichtsnutzigen Kücken empfindet.

Der Leitervogel wohnt sehr hoch oben, an der Spitze eines sehr steilen Biotops, welches aus seiner Perspektive nur unter ihm reibungslos funktioniert. (Genau so würden es übrigens auch alle Untervögel formulieren, dass sich „über ihnen“ das befindet, was an dem Biotop nicht funktioniert.)

Er allein bewacht dieses Biotop (die sogenannte Karriereleiter) und sieht sich als dessen Sonnenvogel, beschützt ER ALLEIN es doch heroisch-strahlend vor einem noch höheren Leitervogel – zumindest sieht er seine eigene, und übrigens einzige, Aufgabe so. Das Absurde dieser Sichtweise geht ihm selber nicht auf, wenn er da so allein und einsam auf der allerobersten Biotop-Sprosse sitzt und wahlweise nach unten hackt oder kackt.

Viel lieber schaut der Leitervogel zurück auf das, was er seine harte Zeit nennt – die Zeit welche er brauchte um OBEN anzukommen – er erinnert sich gerne und mit triumphierendem Grimm der vielen arschgepickten AbteilungsLeitervögel, und dann natürlich auch an die vielen betrügerischen BegLeitervögel… eine böse Zeit war das, aber ER hat es GESCHAFFT, GANZ ALLEINE hat er es geschafft – so lautet seine Folklore.

Gejammer über genau dieses ALLEIN gehört natürlich permanent dazu, aber es gibt ja die Untervögel, welchen er seine Gefiederpflege befehlen, und natürlich auch die eine oder andere Körperhenne, die er sich mit einem schleunigst darzureichenden Koffeinwasser herbeiordern kann.

In den allermeisten Fällen ist der Leitervogel ein Hähnchen, also ein Vogel der keine Eier legt. Wenigstens ein Omelettehagel bleibt den unteren Vögeln erspart.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #079 - Donnervogel

30. Dezember 2024

Heute: Der Donnervogel. Grummulus rumpulus.

[Intro Donnervogel]

[Sprechtext]
Charakteristisches Anzeichen für die Anwesenheit eines kleineren Schwarms Donnervögel ist das beeindruckende Hörpanorama, das zum Beispiel einen Reihenhaus-Handtuchgarten in eine Art gigantischen Rolling-Stones-Stadion-Bühnen-Konzertlautsprecherturm mit Dolby Surround verwandeln kann:

Die wildesten, lautesten Geräusche der Marke „Büffel-Stampede trifft auf ICE, der gerade in 3.000 Metern am steilsten Hang des Himalaya eine Lawine losgefahren hat“ vereinigen sich hier in der engen Gemarkung zwischen den Goldregen- und Fliederbüschen zu einem ohrenbetäubenden Getöse, das zu Recht mit Donner assoziiert wird und sich genauso viereckig anhört wie der von Wohnzimmerpanoramaverglasungen eingekesselte Gartenfleck, der als Schallkorpus dient. Die Wände der Kleinfamilien-Aufbewahrungsschachteln beben, Fensterscheiben springen und die Emaille splittert von den Badewannen.

Wenn man einen einzelnen Donnervogel im Garten hat, klingt das nicht sehr beeindruckend, sondern eher nach den akustischen Folge-Erscheinungen der oralen Einnahme von Glaubersalz. Man kann sich wirklich nicht vorstellen, dass sich aus den peinlich-pupseligen Grummelgeräuschen von nur zehn dieser Tierchen ein fulminanter Raumfähre-Columbia-startet-im-Gästeklo-Sound ins Wohngebiet hineinzaubern lässt.

Doch genau das passiert, ohne dass die Forscher bisher in der Lage waren zu beobachten wie der immense Schalldruck zustande kommt, der physikalisch eigentlich nicht möglich sein kann. Es zerriss ihnen regelmässig sämtliche Aufzeichnungsapparaturen ebenso wie die Trommelfelle, jeder hinzukommende Donnervogel schien die Lautstärke exponentiell zu erhöhen, spätestens bei vier anwesenden Tieren war keine Aufnahme mehr möglich, und bei acht Donnervögeln rückte der Katastrophenschutz an und umstellte das betroffene Wohngebiet, um es anschließend mit einer gezielten Mini-Atombombe aus der Landkarte zu fräsen.

Es gelang den Forschern aber vorher noch, zwei Donnervögel einzufangen und unter Hochsicherheits-Vorkehrungen in einer Vakuum-Verpackung in das Studio von Radio Unerhört zu verbringen, wo einige Versuche der Technik-AG ergaben, dass diese Vögel mit der Interferenz ihrer Schallwellen arbeiten, diese dadurch aufsummieren und das Ganze durch eine unerhört feine Justierung ihrer sehr stark verästelten Luftsäcke die jeweilig durchschlagkräftigen Frequenzen die eher undifferenzierten Ausgangsgeräusche zu regelrechten Dröhntönen mit enormem Druck aufbauen. Da sie hierbei auch die Gebäude-Eigenfrequenzen einbeziehen, die sie durch ihre Geräusche quasi wie ein Echolot abtasten und dann verstärken, schaukelt sich bei geschickt platzierten Donnervögeln der ganze Luftkörper inklusive dem Gebäude drumherum sehr schnell zu einem einzigen Geräusch auf.

Wenn Donnervögel im Schwarm fliegen, nutzen sie Echos von reflektierenden Wänden, Bergen und Wolken, um diese Dröhn-Symphonie zu erzeugen. In engen Schluchten schaukeln sich die Echos auf und lösen dann reale Bergrutsche und Lawinen aus.

[Outro Donnervogel:]
Blöderweise sind die beiden Donnervögel heute morgen ausgebrochen und sitzen nun im Herrenklo…


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Vogel der Woche: #078 - Höhnchen und Co.

23. Dezember 2024

Heute: Höhnchen & Co.

  • * Höhnchen (Perdix sarkastis Ahab, 2022)
  • * Platthöhnchen (Perdix sarkastis borealis Ahab, 2022)
  • * Hähähähnchen (Gagallus gagallus Macho L., 2022)
  • * Hohohohnchen (Gagallus gagallus nicolaus Wal, 2022)

 

Hämische Hühnervögel gibt es so einige, aber das Höhnchen hat eindeutig das Krönchen in dieser Disziplin auf. Wo das dümmliche Hähähähnchen nur vor sich hin gickert, aber nicht inhaltlich reinhaut, da hackt das Höhnchen noch so richtig schmerzhafte Verbalinjurien oben auf die sowieso schon schwere Last des Schadenhabenden. Ein hochgradig unsympathisches Federtier also, möchte mensch meinen. Für zarte Gemüter ist das jedenfalls nicht das richtige Haustier.

Auch das Hähähähnchen ist in der Lage, jemanden zum Wahnsinn zu treiben, ähnlich wie der so repetetive Wachtelhahn; bei vorangegangener Niederlage oder einem Versa­gens­erlebnis vermag das Hähähähnchen auch seinen Besitzer in den Suizid zu gackern; aber dieses Tier tut es lediglich mechanisch, also einfach nur, weil es keine andere Platte zum Auflegen besitzt.

Das Höhnchen reagiert unmittelbar auf eine vorgefundene Fremdfrustsituation und macht sich daran, die offene seelische Wunde mit gut gezielten Hieben zu vergrößern. Das spricht für große Intelligenz des Höhnchens, meinen manche Leute; andere Leute, die das Höhnchen live erlebt haben, meinen, dass dies der netteste Hühnervogel der Welt sei, mit besten Manieren.

Wie kommt diese Diskrepanz in der Einschätzung des Höhnchens zustande? Einerseits der Salzstreuer der offenen Wunde, andererseits Gentlegockel?

Das Höhnchen verhöhnt tatsächlich keine Menschen, deren Sprache versteht es nämlich gar nicht. Es verhöhnt andere Hühnervögel und sorgt auf die Weise für das, was wir regelmäßig von diesen seltsamen reptiloiden Tieren als die sogenannte Hackordnung vorgetanzt bekommen. (Im platten Land übernimmt das Verhöhnen der Hühnervögel das Platthöhnchen.)

Ich muss aber noch einmal auf das Hähähähnchen zurückkommen, welches, wie oben angedeutet, seinem menschlichen Besitzer tatsächlich akustisch ein Leids antun kann. Es gibt nämlich eine Unterart des Hähähähnchens, welche auf dem Nordpol lebt und lediglich im Dezember ihr Brutgebiet verlässt, um durch das schiere Ertönenlasen des Flugrufes einen gigantischen Stress in christlich-europäisch formatierten Bevölkerungsschichten auszulösen: das Hohohohnchen.

Guten Tach.


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Vogel der Woche: #077 - Tragischer Kauz

16. Dezember 2024

Der Tragische Kauz.  Strix dramaticus kain.

Während Menschen den Komischen Kauz eher lustig finden und ihm viele Sympathien zukommen lassen (oder es zumindest versuchen), führt der Tragische Kauz ein Leben im Schlagschatten seines bekannteren Zwillings. Wo immer der Tragische Kauz ein „Buhu“ oder „Kiuwitt“ äußert, hat das kurz zuvor bereits der Komische Kauz getan und damit sämtliche zu vergebenden Likes der Umgebung abgefischt, so dass dem Tragischen Kauz auf seine Äußerungen gähnende Langeweile zuteil wird. Sowas birgt spätestens in dem Moment, wo der Tragische Kauz die Zusammenhänge begreift, eine gewisse Problematik und ein geschwisterliches Konfliktpotenzial bis hin zum Unaussprechlichen Ritualsenf (eine unglaublich barbarische Methode, einen anderen Vogel verstummen zu lassen, so schlimm, dass es hier nicht mal ansatzweise wiedergegeben werden kann, einfach um die Gefahr der Nachahmungstäter zu reduzieren), das wird jeder gutsortierte Vogelkopfdoktor sofort einsehen.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #076 - Der Pudelvogel

9. Dezember 2024

Heute: Der Pudel. Dronta canis.

Pudel werden gewöhnlich für Hunde gehalten, die lockiges Fell haben und als Opfer für Frisur-Karikaturen herhalten müssen. Dabei sind sie verwandt mit den Tauben! Ihr naher Verwandter ist der auch heute noch lebende Drolf (Dronta lupus), welcher in Rudeln über den Nordpol streift und Jagd auf Rentierschlitten mit dicken rotgekleideten Männern drin macht. Diese speziellen „Rentiere“ können fliegen, und das können Drölfe auch.

Lassen Sie sich bitte nicht ablenken von der Flugunfähigkeit des Pudels – in der Gattung der Dronten hat sich die Flugfähigkeit öfters zurückgebildet, so eben auch beim Haustier Pudel. Denn es wäre verdammt lästig, wenn einem diese Tierchen permanent in Ohrenhöhe um den Kopf flatterten und dabei ihre spitzen Kläff- und Quietschlaute ausstießen. Das typische Pudelgeräusch nervt auch in Fußhöhe an einer 5 Meter langen Leine ausreichend.

Pudel benehmen sich tatsächlich in den meisten Fällen wie kleine, unerzogene Hündchen; das Wohl- oder Weh-Verhalten eines Pudels spiegelt allerdings lediglich die „Erziehung“ wider, welche die Besitzer:innen diesem aufgrund oft geringer Größe unterschätzten Lebewesen angedeihen lassen.

Bei Unerzogenheit spielt es keine Rolle, ob der Pudel ein Eichhörnchen, des Teufels Kern, oder halt eben eine Luftratte sei.

Pudel gibt es in vielen Größen, Farben und Formen. Sie sind gelehrig und haben gerne verantwortungsvolle Aufgaben. Dazu gehört nicht das Unter-dem-Arm-einer-Pointer-Sister-Festklemmen, welches sie lediglich ertragen. Sie träumen manchmal noch im Schlaf davon, ein Drolf zu sein und dicke rotgekleidete Männer zu jagen.

Ein Marburger Züchter hat – unter Verwendung mehrerer Pudel und prähistorischem Genmaterial – 2013 den Phänotyp der ausgestorbenen Wollhaargießkanne rückgezüchtet.


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Vogel der Woche: #075 - Der Simpel

2. Dezember 2024

Heute: Der Simpel. Pyrrhula oweja.

Der Simpel, im Volksmund auch Dummpfaff oder Nullraff genannt, ist ähnlich wie der Hemdling ein Freizeithandwerker. Was der Hemdling im Garten vollbringt, erledigt der Simpel aber lieber an der Drehbank oder auf dem Dachstuhl; Hauptsache, er kann einen Hammer dazu benutzen. Bisher hat er diesen auch nur für seine Arbeit verwendet – er ist nämlich so friedfertig, daß oft mehrere Simpel nebeneinander hämmern.

Etwas träge im Reagieren, hört man den Vogel auch erst dann schreien, wenn er zum zweiten Mal den Zeh anstatt des Nagels krummgeschlagen hat.

Ein Simpel flucht nie. Er weiß gar nicht, wozu Schimpfwörter da sind, und hat es folglich auch nie erfahren können, wie befreiend so ein ordentlicher Fluch sein kann. Lieber sitzt er mit traurigem Blick und verbundenem Zeh neben seinem letzten Betätigungsopfer (meist einem krummen Nagel) und sagt „düüh“, weil man mit einem Fuß nun mal nicht hämmern kann.

Aber eins beherrscht der Simpel perfekt: Verbände anlegen.

Und noch etwas kann er: wie jeder einigermaßen passionierte Heimwerker pfeift er jede Melodie nach, die er öfter als drei Mal im Radio hört. Die geht ihm dann den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf.

Wenn es der Simpel tatsächlich fertigbringt, einen Nagel richtig einzuschlagen, zeigt er jedem, egal ob der es wissen will oder nicht, sein Werk. Wenn es jeder bewundert hat, hämmert er stillvergnügt weiter, bis er den nächsten Zeh trifft.


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Klara
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Vogel der Woche: #074 - Hummi und Vorschlaghummer

25. November 2024

Der Hummi. Homarus opponens.

Ein kleiner Süßwasserkrebs, der grundsächlich Ja sagt, wenn andere Nein sagen, und umgekehrt. Hummi ist immer in der Opposition, egal worum es geht. Strategisch eingesetzt, kann Hummi mit seinem feinen, kaum hörbaren Stimmchen sogar ein Wandbumsrudel von Querdenkern zum kollektiven Masketragen bewegen.

Der Vorschlaghummer. Homarus consens.

Das Gegenteil vom Hummi. Macht immer konstruktive Vorschläge und ist grundsätzlich konsensfähig, selbst wenn auf jedem einzelnen Plenum das genaue Gegenteil des vorangegangenen beschlossen werden soll. Experimente zur Erzeugung eines Perpetuum Mobile durch Zusammensetzen eines Vorschlaghummers mit einem Hummi scheiterten allerdings, da beide Tiere nicht als Erste reden.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #073 - Der Fistelfiep

18. November 2024

Heute: Der Fistelfiep. Bohlus dietensis.

Nicht alle mögen den Fistelfiep. Ich glaube, das ist sogar eine Beschönigung, eigentlich mag niemand den Fistelfiep. Er hat eine hässliche Stimme und das weiß er. Er hat ein bescheuertes Auftreten und auch das weiß er. Und er hat – aus ihm selber und anderen unerfindlichen Gründen – eine goldene Alula sobald es um Musik geht, die sich über den Darmausgang rückwärts durch den Körper ins Ohr bohrt.

Der Fistelfiep ist ein Vogel der 80er Jahre. Er hat sein Nest gebaut zu Zeiten, wo der extremkomprimierte elektronische Vocoderstandardsound der 90er und 2000er technisch fast noch gar nicht machbar war. Zu Zeiten des Fistelfieps gab es noch analoge Synthesizer, die man vollprogrammierte mit seinen Klangtapeten und alles klang dann entsprechend fistelfiepig – damals in den 80ern durchaus beeindruckend – solang der Fistelfiep selbst nicht den Fehler machte, dazu den Schnabel aufzureißen (fun fact: er singt einen extrem wackligen Sopran).

Und der Fistelfiep war nach einigen Fehlversuchen schlau geworden: er ist nun ein Instrumentalvogel, der sich flugs andere Hähnchen schnappte welche an seiner statt den Gesangspart übernahmen. Das Konzept ging auf.

Auch wenn der Fistelfiep bald selbst nicht mehr stimmlich zu hören war, hat sich sein musikalisches Konzept in die 80er Jahre Klangtapete ähnlich eingebrannt, wie das Werk des Zandergökels die späten 70er beherrschte.


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Vogel der Woche: #072 - Schnabeltier

11. November 2024

Das Schnabeltier. Animalus rostralis.

Der Name sagt, was dies Tier frontal als Message in die Landschaft hält: ein Rostrum. Ein Schnabel. Ein plusminus spitzes Ding an der Seite des Körpers, wo sich auch auffällig viele Sinnesorgane stapeln – in Deutschland bräuchtes’te allein für diese Ansammlung von Sinnen bereits eine ordnungsamtliche Genehmigung wegen Versammlungsrecht und Demonstration und so, wenn’de das mal eben so durch eine Gegend tragen wolltest – und möglicherweise bekäms’te dann aufgrund dieses Rostrums, dieses **Monstrums in deiner Visage** eine Auflage, gefälligst zwecks Ausschließung jedweder Gefährlichkeit für die Nichtdemonstrierende Normalbevölkerung öffentlich-räumlings einen Polsternden Fluffel auf deinen Schnuffel zu pölpen. Deine Nase zu kaschieren, deinen Zinken zu entschärfen, oder wie der Anglophone reimt: „to chill your bill“.

Oder müsstest beim Schwertransportdurchegegendbehördenverbund -TM- eine Genehmigung für eine nächtliche Trageroute fernab öffentlich kitzliger Verkehrsknotenpunkte erwirken.

Das Schnabeltier hat daher in Deutschland eine Menge Probleme. Es kann nicht schreiben – das liegt am Fehlen eines opponierbaren Daumens((ohne Daumen kannste halt keinen Kuli halten, logisch)) – aber das wäre noch nicht das Problem, denn Inklusion macht in Germany, dass sich bestimmt im deutschen Amtsapparat ein opponierbarer Daumenersatzbeauftragter auftreiben lässt.

Das Schnabeltier kann nicht lesen. – Okay, auch dafür ließe sich in den Behördenhorden eine des Lesens mächtige Amtsricke aus ihrer Sasse hochmachen.

Aber selbst wenn das Schnabeltier – auf diese Including Weise nachgerüstet mit Prothetischem Daumen und externem Lesegerät – auf die polizeiliche Auflage oder den Formularberg stieße, welcher seine unangepasste Erscheinung umflattert wie liebeshungrige Fledermäuse ein Paarungsquartier -– selbst dann könnte es die ganze Angelegenheit nicht verstehen.

Denn die Evolution hat es zwar mit einem Schnabel ausgestattet, aber nicht mit einer Heiliger Bürokratius App.

Deswegen hat das Schnabeltier in Deutschland nicht nur eine Menge Probleme, sondern es ist hier auch ausgestorben.


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Friedhelm Fett
Sprecher

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