Vogel der Woche

Die Welt aus ornithomanischer Sicht!

Die Welt ist lustig, insbesondere aus Sicht der Vogelkundler. HikE schreibt seit vielen Jahren den „Vogel der Woche“. Angefangen hat die Serie im Morgenmagazin von Radio Unerhört Marburg, fortgesetzt wurde sie im Podcast Quatschbrötchen.

Vogel der Woche: #122 - Transsylvanischer Flughund

27. Oktober 2025

Transsylvanischer Flughund

(Aerocynus draculis)

Jeder normale Mensch würde diesem Tier sofort Vampir-Eigenschaften zuschreiben, so unheimlich kommt der Transsylvanische Flughund daher. Er geht nicht gerne in die Sonne, guckt verschlagen, und ein paar Zähnchen hat er auch; zuweilen fliegt er mit dem Geräusch eines auf hochsommerlich bratendem Asphalt beim Spaziergang schmelzenden Flip-Flops durch die Nacht, und wenn man sowas vor dem eigenen Schlafzimmerfenster hört, dann stellt das mehr Härchen am ganzen Körper steil auf, als ein an der Scheibe kratzender Dämmergeier.

Dabei ist der Transsylvanische Flughund strenger Vegetarier; er beißt nur Obst und Gemüse – aber auch das mit einem Geräusch, als wär’s der Hals einer Jungfrau.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #121 - Bompel

20. Oktober 2025

Bompel. Turdus terrestris.

Die Bompel, oder in ihrer offiziellen Langform: Bodenampel, ist eine Ampel. Sie ist flugfaul und sehr trittfest, das wurde durch gezielte jahrzehntelange Zucht und Auslese erreicht. Und natürlich durch Kreuzung, das gehört sich bei Ampeln einfach. Es gibt sie nur mit rotem oder grünem Gefieder. Im Gegensatz zu ihrer Ursprungsform bewohnen Bompeln stabile und dauerhafte Bodennester, die sie sich in Pflasterstein, Beton oder Asphalt gegraben haben – auf welche Weise, ist noch Gegenstand heftigster Forschung. JAUNE (2018) nimmt an, das dies auf chemischem Weg passiert, möglicherweise durch Glühwürmchen mit korrodierenden Eigenschaften unterstützt oder sogar verursacht; CUTT & YELLOW (2018) favorisieren eine Art Laserstrahlung, also Muldenbildung durch aggressives Leuchten, sich die Bompeln also quasi eine Kuhle herbeistrahlen, vielleicht auch ein bisschen thermische Prozesse. Der GNAPVA 1) behauptet hingegen, Bompelnester im Angebot zu haben und diese nach Vorgaben der jeweiligen Stadtregierung an verabredeter Stelle unter Werkzeuggebrauch in den Hartboden einzulassen, wonach ein Stadtregierungsbompelbeauftragter mit einer frisch erbrüteten Bompelhenne in einem gehenkelten Eimerchen den Bauplatz betrete und diese umständlich in das Nestchen einsetze, wowiederumnach ein unabhängiger Vermessungskontrollingenieur als Sachverständiger jenes Ensemble aus vom GNAPVA gelieferten und Stadtregierungsbompelbeautragten bebompelten Nestchen und Bompel mit einem zölligen Stocke und einer Wasserwaage überprüfend bemesse und hernach die Rechnungsanweisung – atmen nicht vergessen! – ja also das Ganze jedenfalls eine erbrachte Leistung des GNAPVA sei und deswegen jetzt und hier auf Bezahlung gedrungen werden müsse, weil der Bompelvogel das auf gar keinen Fall selber baue. Soh. Damit wäre das auch geklärt, und jetzt Geld her.

Wenden wir uns nach dieser Beschreibung heftiger Forschung wieder dem Tiere zu, während im Hintergrund die Streitäxte, Glühwürmchen und Laserschwerter, und ja, auch die eine oder andere Bompel, gezückt werden…

Was tut die Bompel, oder anders herum gefragt: Was unterscheidet die Bompel von der Ampel?

Also eigentlich tut die Bompel das gleiche wie die Ampel, halt nur trittfest und flugfaul am Boden. Sie leuchtet abwechselnd rot oder grün. Und Grün heißt geh‘n, Rot heißt steh‘n. So woll‘n wir‘s seh‘n, das wär scheen. Also kein Unterschied, außer halt dem Standort des Vogels, seiner Flugfaulheit und Trittfestigkeit.

Die viel spannendere Frage ist, wozu es einen solchen Vogel braucht, dass man sich sogar die Mühe macht ihn eigens zu züchten und auszulesen – und zu kreuzen selbstverständlich, denn Kreuzung ist für Ampeln einfach ein Have-to-do – also was dazu geführt hat, diesen Leuchtgeier an strategisch günstigen Positionen in den Gehweg einzumauern.

Diese Frage kann mit einem Wort beantwortet werden: Handys.

Früher waren es nur die sogenannten Grufties, die permanent ihre Schuhspitzen im Blickfeld hatten, heute texten sich gigantische Schwärme von Smartphonekiebitzen durch den öffentlichen Verkehrsraum und deswegen steckt man Glühhennen in den Asphalt, um die Notschlachtungskosten für plattgejuckelte Smartphonekiebitze etwas übersichtlicher zu halten.

Guten Tach!

Literatur:

Egon Cutt & Gilbert Yellow (2018): Using Light-Power for Forming a Nesting Mould into Concrete by the Bompel (Turdus terrestris). Journal of Oology 53 (2): 56-70
Joan-Jean Jaune (2018): Is Lampyris chemoluca (Coleoptera, Lampüridae) a Source of usable Corrosives for the Bompel (Turdus terrestris)? Journal of Irreproducible Results 3427: 326-328


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #120 - Dreizehnspecht etc.

13. Oktober 2025

Dreizehnspecht

(Picus tredecimverberat DENGELMANN, 2012)

Die akustische Feldforschung brachte Erstaunliches aus unserer Vogelwelt zu Tage.

Alle ornithologischen Ratgeber und Bestimmungsbücher müssen nun neu geschrieben werden. Was für die Wirtschaft und auch für’s Weihnachtsgeschäft natürlich sehr gut ist.

Besonders das Kapitel über die Spechte muss ausgiebig erweitert werden nach den bahnbrechenden Forschungsergebnissen von Dr. Dirk Dengelmann aus der Schlaf­laborabteilung des renommierten Instituts für Akustikgeläpp und Wildbahnverkabelung an der Universität Murg­-Bopf.

Aber hören wir doch den Forscher selbst seine sensationellen Ergebnisse vorstellen:

[Spechtklopfen 1]

Ja, meine Damen und Herren, hier vernahmen Sie soeben den Dreizehnspecht in eigener Person.

[Spechtklopfen 2]

Und hier den Vierzehnspecht.

Noch mal beide im direkten Vergleich, der Unterschied ist fein, aber es ist ein Unterschied.

[Spechtklopfen 1] ­ [Spechtklopfen 2]

Da! Am Ende. Genau hinhören!

[Spechtklopfen 1] ­ [Spechtklopfen 2]

Eindeutig!

Ja, so weit der Freilandforscher und Wildbahn­-Verkabler Dr. Dirk Dengelmann im Originalton.

Sie sind jetzt bestimmt genauso schlau wie vorher, denn Sie werden den Unterschied nicht gehört haben. Genausowenig wie wir. Daher spielen wir die beiden Originalaufnahmen mal in Zeitlupe:

Dreizehnspecht [Extrem­Zeitlupe]

und

Vierzehnspecht [Extrem­Zeitlupe]

– Na? Aber jetzt sollten Sie den Unter­schied gehört haben. Is nämlich ganz ein­ deutig! Der eine schlägt dreizehn, der andere klopft vierzehnmal. – Und weil’s so schön war, noch mal zum mitzählen und drüber Freuen.

Dreizehnspecht [Extrem­Zeitlupe]
Vierzehnspecht [Extrem­Zeitlupe]

Wirklich ein­deu­tig.

Es gibt außer dem Dreizehnspecht und dem Vierzehnspecht noch eine weitere neue Spechtart, die man nicht mit den vor­her genannten Arten verwechseln sollte, nämlich den Zwölfzehenspecht. Dieser schlüpfte im August 2011 in Gorleben aus einem Ei mit drei Dottern, und sein Trommeln kennt man leider gar nicht, weil er sich längst ausgestopft in der zoologischen Sammlung befindet.

Daher können wir das Trommeln des Zwölfzehenspechtes leider nicht mit den beiden vorgenannten Arten vergleichen.

Spannend wäre es gewesen. Aber so früh am Morgen kann man wirklich nicht alles haben.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #119 - Tüteltaube

6. Oktober 2025

Tüteltaube

(Streptopelia tuetel)

Die Tüteltaube ist verantwortlich für die „Gänsefüßchen“ in modernen Texten. Es gibt sie in zwei Unterarten: Gerade Tütel und Orthographische Tütel.

Im Gegensatz zur Füßchengans ist sie leicht zu dressieren und tanzt gern übers Blatt, so dass sie sich für Dialoge mit häufigem Sprecherwechsel ganz vorzüglich eignet.

Ohne die Tüteltaube wären Konsalik­- und Simmel­-Romane schier undenkbar. Aber auch Sherlock Holmes könnte nicht mit Watson die Zusammenhänge zusammenkombinieren, und Winnetou und Old Shatterhand müssten sich ohne sie pantomimisch unterhalten.

Lediglich der enzyklopädische Steinzeit-­Breitporno „Ayla und derdiedas (hnhnhn) desdemden (böböbö)“ käme wahrscheinlich auch ohne Tüteltaubeneinsatz zustande, da dort handlungstechnisch eh nur auf Höhlenlöwen herumgeritten, Pemmikanrezepte komponiert, das Rad erfunden und das Pferd gleich dazu, und kultisch auf nackten Bärenköppen herumgebollert und mit Schattenrissen Fellmaiden-Erschreckungs-Theater zelebriert wird.

Abzüglich der 4 Seiten alle 50 Seiten, auf denen dann steinzeitmäßig rumgegrunzt und dazu gequiekstöhnt wird. Aber auch das kommt prima ohne Gänsefüßchen aus. Hätte die Ayla damals auf den jeweils für die Handlung vorgesehenen 46 Seiten auch gleich das Fernsehn mit erfunden, dann wäre der gesamte Romanzyklus mit 92 % des verwendeten Papiers ausgekommen, weil sie nur noch einen Hinweis auf die BBC-Frühzeitschmonzetten hätte einfügen müssen, in denen es unter anderem zu solch sprachlichen Elaboraten kam wie:

„Wahrscheinlich war es ein Ergaster, der die erste Träne weinte“.

Welche Menschenart Ayla war, weiss ich nicht mehr genau, dazu war zu viel Betonung auf nass untenrum gelegt. Der zur Aylabarbie artlich dazugehörige Ken hieß Joomla oder Joringel oder John Deere, so genau weiß ich das nich mehr, und ich werd ’nen Teufel tun, das noch mal rauszufinden.

Aber zurück zur Tüteltaube.

Tüteltauben, die beim Druckvorgang akzidentell einen Fuß eingebüßt haben, lassen sich immer noch ganz hervorragend für die Komma- und Hochkommasetzung verwenden. Bei entsprechender Dressur kann man sie auch zum Apostroph­-Druck einsetzen.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #118 - Der Einheitswürger

29. September 2025

Heute: Der Einheitswürger. Schlanius extaeterae.

Von einer seltenen Erbkrankheit, der Germanomonomanie geplagt, waren wohl die Eltern dieses zierlich in drei Farbstreifen getauchten Vögelchens. Vielleicht ist er aber auch eine Spätfolge der radioaktiven Verseuchung des Vogel-Erbgutes durch Tschernobyl, sooo genau kann das leider niemand mehr sagen. Statistisch ist das auch völlig egal, ob Tschernobylbyl oder was­auch­sonst, denn es GIBT ihn nun seit mehr als zwanzig Jahren: den Einheitswürger.

Der Einheitswürger – das ist der Vogel, den alle Deutschen am 3. Oktober haben – oder auch nicht. Er hat trotz seines Namens eine ganz unvermutete, phänomenal paradoxe Eigenschaft, er spaltet nämlich die Nation – darin ist der Einheiti noch erfolgreicher als die Vögel, denen man das Spalten und Zerspänen harter Dinge eher zutrauen würde, als diesem zierlichen – hatte ich das schon gesagt? – ja, hatte ich schon – egal, als diesem wahrlich zierlichen Vertreter aus der Familie der Würger, der Laniidae.

Die Laniiden, also sein Papa und seine Mama, werden in Deutschland im allgemeinen durch den Rotrückenwürger, den Rotkopfwürger und den Raubwürger vertreten.

Der Rotkopfwürger heißt so, weil er einen roten Kopf hat. – Das geht ja vielen so, wenn sie so vor sich hin würgen.

Der Rotrückenwürger heißt im Volksmund auch Neuntöter – weil er noch mehr Fliegen auf einen Streich gekillt hat als Das Tapfere Schneiderlein. (Über die Farbe seines Rückens schweige ich mich hier mal aus.)

Der Raubwürger – na ja, nicht was SIE jetzt denken! – Der schlingt nicht etwa gestohlene Gegenstände ganz schnell runter, damit er sie behalten kann, nein, dem hat die Evolution jede Art von roter Farbe geklaut.

All diese Mamas und Papas vom Einheitswürger fressen Insekten und kleine Wirbeltiere, und so hielt das die Familie der Laniiden auch mehrere unbedeutende Dutzend und Aberdutzend von Jahrhunderttausenden durch – bis zum „Fall der Mauer“.

Oder – statistisch sicherlich aber nicht nachzuweisen – bis zum Fallout.

Jedenfalls gab es zu dem Termin nicht nur Massenhysterien unter den Menschen, die im Ausland gerne mit weißblauem Rautenmuster, Rasierpinseln an Filzhüten und merkwürdigen Beinkleidern aus Hirschleder assoziiert werden, sondern in einem Nestchen, das ein Pärchen der Laniiden geflochten, untypischerweise im September noch mit Eiern bestückt und diese anschließend durch Draufsitzen zum Auskeimen gebracht hatte, kroch etwas ganz Seltsames, dessen erster Satz war: „oleee ole ole oleee Schlaan“.

Die beiden Würger-­Eltern erschraken so, dass sie dem Kleinen ganz schnell den Schnabel mit Kerbtieren und Mäusekeulchen zustopften, damit der böse Fuchs es nicht grölen hört und aus der Evolution entfernt, und darüber wurde der Einheitswürger groß und stark und brütete im darauffolgenden Jahr persönlich.

Dass es mit ihm eine eigene Art hat, wurde auch schnell klar: denn im Gegensatz zu seinen Eltern brütet er nicht ausnahmsweise, sondern grundsätzlich im September los, und seine Eier ploppen grundsätzlich am 3. Oktober auf.

Das wäre alles überhaupt kein Problem, wäre dieser Vogel nicht zusätzlich zu seinem roten Rücken und schwarzen Köpfchen am Bauch so gelb wie der Inhalt des Becherchens, das man zum tunlichsten Beweise einer sportlich-weißen Weste den Dopingkontrolleuren in die Hand drückt.

Sein geradezu mystisches Auftauchen in einer Zeit, in der nicht nur Atomkraftwerks-Inhalte, sondern auch Betonmauern in der Landschaft herumfielen, hatte in Verbindung mit seinen farblichen und sprachlichen Eigenschaften die fatale Wirkung, einen staatlichen Feiertag zu erzeugen.

Und genau damit kloppen wir uns noch heute rum. – Danke, f[MEEEP] Einheitswürger – Herzlich Danke! Nur wegen Dir sind in diesem Staat wieder ’nen Tag länger die Aldis und Ikeas geschlossen!

Guten Morgen.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #117 - Tenortölpel

22. September 2025

Tenortölpel

(Sula tenorana)

Die Fachwelt diskutiert noch eifrig darüber, ob es sich bei dem Tenortölpel wirklich um eine eigene Art oder nur um eine Unterart des Basstölpels handelt, da sich dieser Vogel nur durch die Stimmlage vom letz­teren unterscheidet. Dass Tenortölpel bloß junge Basstölpel im Stimmbruch seien, ist inzwischen allerdings widerlegt, man hat mittlerweile verlässliche Beobachtungen von singenden Exemplaren im Adultkleid gemacht.

Ein besonderer Moment ist das akustische Erleben einer gemischten Kolonie von Bass­- und Tenortölpeln. Nähert man sich vorsichtig einer für die Brut benutzten Klip­pe, vernimmt man den herrlichen Gesang eines Männerchors ungeheuren Ausmaßes. Der Gefangenenchor aus Nabuko ist nichts dagegen.

Eine Unterart des Tenortölpels, der Helden­tenortölpel (Sula tenorana aria) zeichnet sich durch einen nicht so schönen, dafür aber sehr lauten Gesang aus. Jeder halb­ wegs musikalische Mensch wird ihn bereits daran ohne größere Probleme von der Unterart Sula tenorana tenorana unter­ scheiden können. Er singt auch nie in Chören, sondern immer nur einzeln. Für seinen Vortrag sucht er sich eine besonders markante Stelle der Landschaft und beginnt mit stolzgeschwellter Brust zu singen.


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CoRo
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Vogel der Woche: #116 - Nahtkrähe

15. September 2025

Nahtkrähe

(Corvus saumicus STEPPIDI, 2005)

Die Nahtkrähe, dieser fein glänzende schwarze Gesell, durchstochert in geraden Linien die Ackerfurche auf der nimmermüden Suche nach dem Fadenwurme. Kurze Exemplare der gefundenen Beute, die nicht länger sind als der Vogel von Schnabel­ bis Schwanzspitze, werden ohne viel Aufhebens verschluckt, aber manchmal erwischt die Krähe auch ein besonders langes Exemplar ihrer bevorzugten Kalorienquelle.

Dies wird allerdings nicht einer enzymatischen Umarbeitung in Krähenmoleküle unterzogen, sondern im Gegenteil sehr vorsichtig behandelt.

Die Nahtkrähe wickelt das bis zu 200 Meter messende Langtier kunstvoll und ohne es zu beschädigen, auf einen stets zu diesem Behufe mitgeführten Spulwurm auf.

Diesen besonders langen Fadenwurm gibt es – ebenso wie den zum Verzehr genutzten kurzen – in verschiedenen Farben.

Besonders in badischen Gebieten, wo Chemische Industrie und Anilin­-Farbenwerke ihren Standort haben, kann man bisweilen Exemplare in strahlenden Neontönen und in modischen Farbkombinationen bewundern.

Nahtkrähen zeigen zwar keine Vorliebe für die besonders bunten Exemplare ihres Beutespektrums, tendieren aber dazu, nach Stillen ihres Hungers möglichst viele längere Fadenwürmer verschiedener Farbtöne und Schattierungen zu sammeln und aufzuspulen.

Sie lagern die erstellten Bündel in ausgekratzten Erdmulden, um sofort wieder auf die Suche zu gehen und ihrem Sammeltrieb so lange beharrlich nachzukommen, bis man aus den ganzen Röllchen ein Rechteck bilden kann.

Was auch die Nahtkrähe damit dann anstellt – und die Röllchen stundenlang in verschiedensten Farbreihen zusammenstellt und stetig umsortiert, bis sie von dem selbstvergessenen Spiel wieder genug Hunger bekommen hat, um nach kurzen Beutetieren Ausschau halten zu gehen.

Währenddessen rollen sich die elend langen Fadenwürmer gemächlich wieder ab und verschwinden jeder für sich in einem Loch, und damit könnte der ganze Spaß von vorne losgehen…


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Matthias Kreuzberger
Sprecher

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Vogel der Woche: #115 - Der Rückwärtspieper

8. September 2025

Heute: Der Rückwärtspieper. Anthus recurris.

Der Rückwärtspieper ist ein Kulturfolger. Er ist der einzige Vogel aus der Gattung der Pieper, der es geschafft hat, sich flächendeckend in Asphaltwüsten mit hohem Motorfahrzeuganteil anzusiedeln. Sein Nest baut er wie alle anderen Pieper klassisch als Bodennest – jedoch, ähnlich wie die mit den Piepern eng verwandte Bachstelze, auch – und mittlerweile ausschließlich – auf den Karosserien von Fahrzeugen wie Baumaschinen, Traktoren, und Autos jeglicher Sorte. Er bevorzugt dabei die rückwärtige Seite, weil er gerne im Windschatten brütet. Wenn das Fahrzeug rückwärts fährt, dann tut er seinen Unmut gegen diese Durchlüftung seiner Nistbude durch laute, rhythmische, weithin hörbare Rufserien kund.

Bei Annäherung von Dingen oder Lebewesen jeglicher Art auf unter 1 Meter an sein Nest verteidigt der Rückwärtspieper dieses mit Steigerung seiner Ruf-Frequenz, er piept also immer schneller hintereinander, je näher der Feind kommt. Zum Schluss, also bei Annäherung auf Schnabelspitzenbreite, sind die Einzelpiepser zu einem zusammenhängenden Kreischen verschmolzen, was jeden Gegner mit noch funktionierendem Gehör sofort in die Flucht schlägt.

Die ursprüngliche Nahrung aller Pieper, Insekten, hat der Rückwärtspieper aufgeben müssen, weil in landwirtschaftlichen Gegenden durch das Ausbringen von Pestiziden diese Nahrungsquelle versiegt ist. Hingegen fiel den motorfahrzeuglenkenden Menschen auf, dass ein solcher Rückwärtspieper, wenn er auf hinteren Teilen der Fahrzeug-Karosserie brütet, sehr zuverlässig auch Zaunpfähle und Mauern anbrüllt, die sich in unlauterer Absicht nähern. Diese Menschen gingen dazu über, den Rückwärtspieper mit einer ausgewogenen Ersatznahrung zu versorgen, was sie zuerst mit einem aufgesetzten Gehörschutz machen mussten, solange sich der Rückwärtspieper noch nicht an die fütternde Hand gewöhnt hatte. Später ließ der brütende Vogel auch ohne Hacken zu, dass die schlüpfenden Küken ebenfalls gleich an die Menschenhand gewöhnt wurden.

Die reichhaltige Ersatznahrung sorgte dafür, dass die Rückwärtspieper gar nicht mehr aufhörten zu brüten, und sogar dann, wenn sie nicht brüteten, in ihren Nestern sitzen blieben und allmählich das Flugvermögen aufgaben.

Auf diese Weise entstand allmählich die zahme Variante des Einparkpiepers, //Anthus recurris positionis//, welche in einzelnen, etwas dichter befiederten Exemplaren auch kommentarlos etwas Fahrtwind um den Schnabel akzeptiert und Nistorte an den vorderen Eckpunkten der Karosserie einnehmen kann.

Und wir, liebe Zuhörende, erleben beide Pieper alltäglich in unseren Asphaltwüsten in voller Aktion.

Guten Tach.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #114 - Altauge und Neuauge

1. September 2025

Neuauge (Oculus neoculus) und Altauge (Oculus anticoculus).

Das Altauge hat von allen Fischarten die ältesten Augen. Das macht aber nix, weil es sich eh mit dem Tastsinn durch die dunkelsten Höhlen der Tieflahn und dort speziell durch den Bodenschlick navigiert.

Gelegentlich reckt es mal den Kopf aus dem Boden und setzt eine Lorgnette oder ein Monokel auf, welches es in den versunkenen Ritter-Ubooten des Frühmittelalters auf irgend einem der Rostschädel sitzend gefunden hat.

Das Neuauge unterscheidet sich von den Altaugen durch mindestens ein neues Auge, und es schreckt bei seinem Aus-dem-Boden-gucken auch vor Brillen von Fielmann nicht zurück.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #113 - Komischer Kauz

25. August 2025

Komischer Kauz. Strix dramaticus abel.

Der Komische Kauz gibt überall seinen Senf dazu, und es wird ihm verziehen, belächelt, für das gehalten, was „so ein richtiges Original“ originell macht. Er ist definitiv der adoptierte Liebling und der mit Eigeninteressen überfrachtete Symbolträger, also das Maskottchen. Frei nach dem Motto: „kannst du es nicht deiner eigenen Jämmerlichkeit anpassen und auf dein Niveau runterziehen, dann adoptiere es oder mach es zum sakrosankten Dorfnarren“.

Den Komischen Kauz hat man nicht angepasst bekommen, er ist renitent, oder wie das heute in der Traumaforschung heißt, „resilient“.

Alles was der Komische Kauz von sich gibt, wird lautstark bewundert und befeiert, aber in der ritualisierten Form, die eine inhaltliche Auseinandersetzung vermeidet. So passt der Komische Kauz nahtlos als Kuscheltier und Maskottchen in eine Gesellschaft, der die gelebte Komik schon lange vergangen ist.


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HikE Worth
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