Vogel der Woche

Die Welt aus ornithomanischer Sicht!

Die Welt ist lustig, insbesondere aus Sicht der Vogelkundler. HikE schreibt seit vielen Jahren den „Vogel der Woche“. Angefangen hat die Serie im Morgenmagazin von Radio Unerhört Marburg, fortgesetzt wurde sie im Podcast Quatschbrötchen.

Vogel der Woche: #116 - Nahtkrähe

15. September 2025

Nahtkrähe

(Corvus saumicus STEPPIDI, 2005)

Die Nahtkrähe, dieser fein glänzende schwarze Gesell, durchstochert in geraden Linien die Ackerfurche auf der nimmermüden Suche nach dem Fadenwurme. Kurze Exemplare der gefundenen Beute, die nicht länger sind als der Vogel von Schnabel­ bis Schwanzspitze, werden ohne viel Aufhebens verschluckt, aber manchmal erwischt die Krähe auch ein besonders langes Exemplar ihrer bevorzugten Kalorienquelle.

Dies wird allerdings nicht einer enzymatischen Umarbeitung in Krähenmoleküle unterzogen, sondern im Gegenteil sehr vorsichtig behandelt.

Die Nahtkrähe wickelt das bis zu 200 Meter messende Langtier kunstvoll und ohne es zu beschädigen, auf einen stets zu diesem Behufe mitgeführten Spulwurm auf.

Diesen besonders langen Fadenwurm gibt es – ebenso wie den zum Verzehr genutzten kurzen – in verschiedenen Farben.

Besonders in badischen Gebieten, wo Chemische Industrie und Anilin­-Farbenwerke ihren Standort haben, kann man bisweilen Exemplare in strahlenden Neontönen und in modischen Farbkombinationen bewundern.

Nahtkrähen zeigen zwar keine Vorliebe für die besonders bunten Exemplare ihres Beutespektrums, tendieren aber dazu, nach Stillen ihres Hungers möglichst viele längere Fadenwürmer verschiedener Farbtöne und Schattierungen zu sammeln und aufzuspulen.

Sie lagern die erstellten Bündel in ausgekratzten Erdmulden, um sofort wieder auf die Suche zu gehen und ihrem Sammeltrieb so lange beharrlich nachzukommen, bis man aus den ganzen Röllchen ein Rechteck bilden kann.

Was auch die Nahtkrähe damit dann anstellt – und die Röllchen stundenlang in verschiedensten Farbreihen zusammenstellt und stetig umsortiert, bis sie von dem selbstvergessenen Spiel wieder genug Hunger bekommen hat, um nach kurzen Beutetieren Ausschau halten zu gehen.

Währenddessen rollen sich die elend langen Fadenwürmer gemächlich wieder ab und verschwinden jeder für sich in einem Loch, und damit könnte der ganze Spaß von vorne losgehen…


Beteiligt:

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HikE Worth
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Matthias Kreuzberger
Sprecher

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Vogel der Woche: #115 - Der Rückwärtspieper

8. September 2025

Heute: Der Rückwärtspieper. Anthus recurris.

Der Rückwärtspieper ist ein Kulturfolger. Er ist der einzige Vogel aus der Gattung der Pieper, der es geschafft hat, sich flächendeckend in Asphaltwüsten mit hohem Motorfahrzeuganteil anzusiedeln. Sein Nest baut er wie alle anderen Pieper klassisch als Bodennest – jedoch, ähnlich wie die mit den Piepern eng verwandte Bachstelze, auch – und mittlerweile ausschließlich – auf den Karosserien von Fahrzeugen wie Baumaschinen, Traktoren, und Autos jeglicher Sorte. Er bevorzugt dabei die rückwärtige Seite, weil er gerne im Windschatten brütet. Wenn das Fahrzeug rückwärts fährt, dann tut er seinen Unmut gegen diese Durchlüftung seiner Nistbude durch laute, rhythmische, weithin hörbare Rufserien kund.

Bei Annäherung von Dingen oder Lebewesen jeglicher Art auf unter 1 Meter an sein Nest verteidigt der Rückwärtspieper dieses mit Steigerung seiner Ruf-Frequenz, er piept also immer schneller hintereinander, je näher der Feind kommt. Zum Schluss, also bei Annäherung auf Schnabelspitzenbreite, sind die Einzelpiepser zu einem zusammenhängenden Kreischen verschmolzen, was jeden Gegner mit noch funktionierendem Gehör sofort in die Flucht schlägt.

Die ursprüngliche Nahrung aller Pieper, Insekten, hat der Rückwärtspieper aufgeben müssen, weil in landwirtschaftlichen Gegenden durch das Ausbringen von Pestiziden diese Nahrungsquelle versiegt ist. Hingegen fiel den motorfahrzeuglenkenden Menschen auf, dass ein solcher Rückwärtspieper, wenn er auf hinteren Teilen der Fahrzeug-Karosserie brütet, sehr zuverlässig auch Zaunpfähle und Mauern anbrüllt, die sich in unlauterer Absicht nähern. Diese Menschen gingen dazu über, den Rückwärtspieper mit einer ausgewogenen Ersatznahrung zu versorgen, was sie zuerst mit einem aufgesetzten Gehörschutz machen mussten, solange sich der Rückwärtspieper noch nicht an die fütternde Hand gewöhnt hatte. Später ließ der brütende Vogel auch ohne Hacken zu, dass die schlüpfenden Küken ebenfalls gleich an die Menschenhand gewöhnt wurden.

Die reichhaltige Ersatznahrung sorgte dafür, dass die Rückwärtspieper gar nicht mehr aufhörten zu brüten, und sogar dann, wenn sie nicht brüteten, in ihren Nestern sitzen blieben und allmählich das Flugvermögen aufgaben.

Auf diese Weise entstand allmählich die zahme Variante des Einparkpiepers, //Anthus recurris positionis//, welche in einzelnen, etwas dichter befiederten Exemplaren auch kommentarlos etwas Fahrtwind um den Schnabel akzeptiert und Nistorte an den vorderen Eckpunkten der Karosserie einnehmen kann.

Und wir, liebe Zuhörende, erleben beide Pieper alltäglich in unseren Asphaltwüsten in voller Aktion.

Guten Tach.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #114 - Altauge und Neuauge

1. September 2025

Neuauge (Oculus neoculus) und Altauge (Oculus anticoculus).

Das Altauge hat von allen Fischarten die ältesten Augen. Das macht aber nix, weil es sich eh mit dem Tastsinn durch die dunkelsten Höhlen der Tieflahn und dort speziell durch den Bodenschlick navigiert.

Gelegentlich reckt es mal den Kopf aus dem Boden und setzt eine Lorgnette oder ein Monokel auf, welches es in den versunkenen Ritter-Ubooten des Frühmittelalters auf irgend einem der Rostschädel sitzend gefunden hat.

Das Neuauge unterscheidet sich von den Altaugen durch mindestens ein neues Auge, und es schreckt bei seinem Aus-dem-Boden-gucken auch vor Brillen von Fielmann nicht zurück.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #113 - Komischer Kauz

25. August 2025

Komischer Kauz. Strix dramaticus abel.

Der Komische Kauz gibt überall seinen Senf dazu, und es wird ihm verziehen, belächelt, für das gehalten, was „so ein richtiges Original“ originell macht. Er ist definitiv der adoptierte Liebling und der mit Eigeninteressen überfrachtete Symbolträger, also das Maskottchen. Frei nach dem Motto: „kannst du es nicht deiner eigenen Jämmerlichkeit anpassen und auf dein Niveau runterziehen, dann adoptiere es oder mach es zum sakrosankten Dorfnarren“.

Den Komischen Kauz hat man nicht angepasst bekommen, er ist renitent, oder wie das heute in der Traumaforschung heißt, „resilient“.

Alles was der Komische Kauz von sich gibt, wird lautstark bewundert und befeiert, aber in der ritualisierten Form, die eine inhaltliche Auseinandersetzung vermeidet. So passt der Komische Kauz nahtlos als Kuscheltier und Maskottchen in eine Gesellschaft, der die gelebte Komik schon lange vergangen ist.


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Vogel der Woche: #112 - Der Dumpfrohrsänger

18. August 2025

Der Dumpfrohrsänger. Acrocephalus mumblens.

Im Gegensatz zu den anderen Rohrsängern bringt der Dumpfrohrsänger seine Sounds nicht klar und kristallin aus dem Hals raus, sondern er brümmelt eigentümlich vor sich hin und klingt dabei fast wie eine Mini-Taube. Das ist ganz erstaunlich, weil die Fachwelt von kleinen Vögeln aus Gründen der Weit-Hörbarkeit irgendwie hohe, hallende Töne erwartet, welche es sogar noch schaffen, im Gedonner der Niagarafälle hörbar zu sein.

Dem Dumpfrohrsänger ist das scheinbar vollkommen wumpe, sein Gebrumm hört man wirklich nur wenn man quasi in ihm drin steht.

Dumpfrohrsänger sind gar nicht mal so selten, obwohl sie scheinbar nicht besonders viel tun, um akustisch konkurrenzfähig und revierverteidigend zu sein. Sie kommen in den gleichen Biotopen wie andere Rohrsänger vor, brüten erfolgreich und verklappen eine ganz erstaunliche Menge Insekten und anderes Kleinzeug in die Schnäbel ihrer Kinder, welche in Napfnestern zwischen ein paar Schilfstengeln aufgehängt sind, die, wenn man man näher drüber nachdenkt, irgendwie wie ein Suspensorium aussehen ((Aber so nah will man eigentlich auch gar nicht nachdenken.)).

Eine Theorie der forschenden Zunft lautet, dass der Gesang des Dumpfrohrsängers überhaupt nicht der Reviermarkierung dient, sondern der unmittelbaren Infraschall-Bedröhnung des Weibchens bis zur dessen Begattungsbereitschaft, analog dem Gesang von Roger Whittaker, dem Don-Kosaken-Chor, dem Eulenpapagei und anderen Tiefton-Barden. Dabei ist auch – ebenfalls analog zu den genannten Beispielen aus dem menschlichen Behumsungsszenario – vollkommen egal, was der Dumpfrohrsänger inhaltlich von sich gibt, hauptsache es brummt geil.


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #111 - Der Möhrenträger

11. August 2025

Heute: Der Möhrenträger. Haematopus daucoleus.

Der Möhrenträger, ein Verwandter des Austernfischers, hat seinen ganz eigenen Reiz. Er stochert mit einem Gerät im Watt herum, von dem einige behaupten, es sei ein Schnabel, andere halten es für die am festesten an einem Vogel angewachsene Möhre der Welt.

Interessant ist es zu beobachten, wenn ein Möhrenträger bei der Watt-­Durchstoche­rung einnickt, was häufiger vorkommt. Wenn er nämlich aus dem Reich der Träume wieder hochschreckt, ist es für ihn sehr oft ein hartes Stück Arbeit, seinen schnell festwurzelnden Schnabel wieder aus dem Boden zu ziehen.

Ein Möhrenträger, der in einem anderen Biotop als dem Watt auf diese Art von Futtersuche gehen würde, wäre ziemlich schnell verloren; er würde es nicht schaffen, schnell genug den Schnabel aus der Erde zu ziehen.

Tatsächlich hat man einige interessante Entdeckungen ge­macht: Auf Äckern befindliche Möhrenträger lesen ihr Futter ausschließlich von der Ober­fläche ab und wagen es nicht, einen weitergehenden Kontakt zur Erde aufzubauen. Sie greifen mit ihrem Schnabel wie mit einer Pinzette kleine Käfer und alles, was oberirdisch herumlebt und durch ihren Hals passt.

Die Spitze ihres Schnabels stoßen sie vorher heftig gegen einen Stein oder Baum, um die feinen Würzelchen abzustoßen,­ die ihnen das präzise Zugreifen sonst unmöglich machen würden.

Im freien Wasser hingegen ernähren sich einige Möhrenträger mit besonders lang und dicht bewachsenen Schnäbeln von Wurzelmundquallen, die sie mit ihrem „Bart“ sehr geschickt käschern.

Ob der Bewuchs des Schnabels was mit genetischer Veranlagung, Alter oder Ge­schlecht zu tun hat, hat noch niemand herausgefunden.


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Patte
Sprecherin

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Vogel der Woche: #110 - Die Gurkenschlange

4. August 2025

Die Gurkenschlange. Serpina cucumera.

Die Gurkenschlange sieht aus wie eine Schlangengurke und bewegt sich auch bei Tageslicht wie eine solche, nämlich gar nicht.

Oft liegt sie auf Wochenmärkten in den Kisten der Gemüsehändler, und fällt zwischen den anderen Gurken nicht auf. Sie wird dann von Menschen gekauft und mit nach Hause genommen, mit dem festen Vorsatz, dass es mal wieder einen lecker Gurkensalat … nun, noch kein Mensch hat eine Gurkenschlange bisher gegessen, weil das mit dem lecker Gurkensalat, das ist immer so ein Vorsatz der Sorte: Gurke kaufen, dann wird das schon was … die Lust auf Gurkensalat entfleucht in dem Augenblick aus dem Gehirn, wo die Gurke ins Gemüsefach des Kühlschranks geparkt wird.

Da landet also nun auch unsere Gurkenschlange und liegt erstmal in der dunklen Kälte. Sie ist nachtaktiv, also wird sie munter und erkundet das Gemüsefach nach Beute. Sie schafft es sogar, sich aus dem Fach heraus in den oberen Teil des Kühlschranks zu schlängeln, wo sie bald einen Happen von der Butter nimmt, ein bisschen Knoblauchquark und Aufschnitt findet, um letztlich ein vergnügtes Tauchbad in einer offenen Dose Erbsensuppe zu nehmen.

Wenn die Gurkenschlange sich sattgefressen hat, wartet sie einfach darauf, dass der Kühlschrank wieder geöffnet wird, irgendwer angewidert kreischt, sie mit einem Küchentuch ergreift und in den Bioabfall wirft. Schlangen haben halt keine Hände, mit denen sie sich die überschüssige Erbsensuppe nach dem Essen abwischen könnten.

Und dann geht das Spielchen von vorne los, bis zum nächsten Wochenmarkt, an dem der Anblick von Gurken den Vorsatz weckt, einen lecker Gurkensalat …


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HikE Worth
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Vogel der Woche: #109 - Dreizähnemöwe

28. Juli 2025

Dreizähnemöwe. Rissa tridentila ROHREIT, 1992.

Die Dreizehenmöwe (Rissa tridactyla) hat an den Felsküsten von Helgoland nicht we­nig Unbill zu erleiden. Die Ornithologen warnen schon seit Jahren, dass die größere Silbermöwe (Larus argentatus) ihr den Nist­raum streitig macht und sie dadurch von der Insel verdrängt. Als besonders dreist erweist sich hier die Quecksilbermöwe (Larus hydrargyrum), die nestplatz­vertei­digende Dreizehenmöwen einfach platttritt.

Erfolgreicher in der Verteidigung ihres Brut­platzes ist die Dreizähnemöwe, eine der Dreizehenmöwe nah verwandte Art. Ihr Schnabel besitzt an der Spitze, einer anato­mischen Pinzette gleich, oben zwei und unten einen Hornzahn. Wenn diese Möwe erst einmal zugebissen hat, lässt sie nicht wieder los. Dieses verschafft ihr nicht nur ungeahnte Vorteile beim Fischfang, son­dern auch bei der Behauptung gegenüber Widersachern.

Andere Möwen legen sich meist nur ein ein­ziges Mal in ihrem Leben mit der äußerst aggressiven Dreizähnemöwe an, wie lang­jährige Markierungs­-Versuche 1)  (ohne auch nur einen einzigen Vogel fangen zu müssen!) auf Island gezeigt haben. Wenn ihre Wunden endlich verheilt sind, meiden sie Dreizähnemöwen weiträumig. Wie sie es schaffen, die Dreizähnemöwe von der völlig identisch aussehenden Dreizehen­möwe zu unterscheiden, war den Forschern 2) zunächst noch ein Rätsel. Dann wurde jedoch festgestellt, dass vorgeschädigte (individuell markierte), d. h. bereits einmal mit Dreizähnemöwen in Kontakt geratene Silbermöwen auch besonders aggressive Exemplare der Dreizehenmöwe mieden.

Der Erkennungsfaktor „Aggressivität“ in Verbindung mit „dreizehenmöwigem“ Aus­sehen macht offenbar die „Schutzwirkung“ aus. Auf diese Weise profitieren Dreizehen­möwen von der Anwesenheit ihrer besser bewaffneten Schwesterart. Für die Drei­zehenmöwen­-Brutkolonien Helgolands be­steht also Hoffnung, wenn die Dreizähne­möwenpopulation groß genug ist, um die Silbermöwen in Angst und Schrecken zu halten. Aus diesem Grund sprachen sich kürzlich alle Vogel-­ und Naturschutz­-Orga­nisationen gegen eine Bejagung der Dreizähnemöwe aus und antworteten damit geschlossen auf die Abschussforderung von Seiten der ortsansässigen Jagdpächter, die aus dem Erfolg dieser Art gegenüber Silbermöwen auch auf eine potentielle Gefährdung des Homo sapiens (Rote Liste Stufe 4) schließen.

Literatur:

1) LIMIKOLOW, Atrimov (1992): Individualmarkierung von Möwen durch Dreizähnemöwen Rissa tridentila und Auswertung der Wiederbegegnungsszenen; Wild d. Bissenschaft 14

2) BROESELL, Pernod (1989): Le division de la Moeve du Tri­-Dentale et la Moeve du Phalanga­-Reduciale; Fachsimpliale et Confusionale Bd. 3


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CoRo
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Vogel der Woche: #108 - Heißstorch & Laufrosch

21. Juli 2025

Heute: Heißstorch & Laufrosch. Ciconia therma & Hyla therma.

Störche essen Frösche. Das ist eine Wahrheit, wie sie nur in den Heiligen Binsen stehen kann, sozusagen eternal Truthness vom Feinsten.

Auf den ersten Blick reicht diese Information, sobald mensch einen Frosch und einen Storch gemeinsam erblickt.

Aber Vorsicht, falls es sich bei dem erblickten Tierduo um einen Heißstorch und um einen Laufrosch handelt. Dann sind die Heiligen Binsen keinen Pfifferling mehr wert, alle Information geht in die Binsen.

Der Laufrosch ist ein grünes Tier von Frosch-Habitus, und zwar der eher niedlichen Sorte. Also nicht so ein überbordendes Monstrum wie der Ochsenfrosch, sondern zierlich und dekorativ-sympathieträgerisch und dabei von einiger Kleinheit – absolut unbedrohlich.

Der Heißstorch verzeichnet ebenfalls Pluspunkte auf der Skala der sympathisch ‚rüberkommenden Lebensformen. Mensch erkennt ihn durchaus als einen Storchenvogel, selbst wenn mensch noch nie außerhalb der Kinderverarschungsliteratur („Die Babies bringt der Klapperstorch“) einen lebenden Storch gesehen hat. Schlanke rote Beine, die ihn eindeutig vom Höckerschwan unterscheiden; elegantes Gesamtaussehen, und so weiter.

Zwei Sympathieträger also, von denen nun der eine – Storch – den andern – Frosch – beim ersten Blickkontakt runterzuschlucken hat, wenn es nach Sankt Binse geht.

Was stattdessen passiert:

Der Heißstorch zieht beim Anblick des Frosches einen Siedetaucher aus seinem Gefieder und hängt ihn in das Wasser des Teichs, in dem der Frosch sich befindet. Denn er mag sein Essen grundsätzlich nur heiß serviert.

Der arme Siedetaucher muss sich wirklich anstrengen, denn der Teich ist keine Teetasse, sondern eher ein Kubikmeter – also tausend Liter – Wasser. Er schafft das Unmögliche – er erwärmt das Teichwasser auf Temperaturen knapp über 20 °C, bevor er abtauchen und dringend was essen muss.

Der Laufrosch hat sich mittlerweile eine kleine Binsenmatratze geflochten und einen Binsensonnenschirm dazu, und streckt sich ganz entspannt mit einem kleinen Binsenbier und einem Pfifferling der Sorte Dröhn auf jenem Floße aus, schaut dem Heißstorch dabei zu, wie dieser darauf wartet, dass das Wasser zu kochen beginnt.

Nachdem der Siedetaucher sich satt gefressen hat und wieder auftaucht, muss er dringend schlafen und vermeldet das auch seinem Storch. Dieser steckt ihn daraufhin wieder in sein Gefieder und wartet weiter darauf, dass das Wasser zu kochen beginnt. (An keiner Stelle wurde gesagt, dass der Heißstorch Zusammenhänge begreift.)

Der Laufrosch hüpft von seinem Floß zurück ins Wasser, sobald sich das wieder auf 19 Grad abgekühlt hat, und das war’s im Groben.

Diese Situation wiederholt sich jedesmal, sobald die beiden Tiere aufeinandertreffen.

Nur im Hochsommer könnte es dem Heißstorch hypothetisch gelingen, einen Laufrosch zu kochen, aber auch das wird nix, weil der Laufrosch sich ab dem Moment, wo das Teichwasser dauerhaft über 20 °C aufheizt, an Land begibt. Er verbarrikadiert sich bis zur nächsten Saison in einem Campingwagen voller leckerer Mücken, während die zum Wagen gehörigen Camper den hungrigen Heißstorch – die Attraktion des Campingplatzes, übrigens – an ihrem Erbseneintopf mitmampfen lassen.


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HikE Worth
Text, Sprechix

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Vogel der Woche: #107 - Grappapapagei

14. Juli 2025

Grappapapagei

(Psittacus grappi R. SCHNEIDER, 1993)

Der Grappapapagei wurde erstmals auf Giglio beobachtet, wo er sich einem netten Herren in schwarzer Badehose auf die nackte Schulter setzte und das Ohr neben seinem Sitzplatz vom Abend des 22. September bis zum Morgen des 4. Oktober 1993 unbeirrt zulaberte. Er unterbrach seinen Vortrag nur, wenn ein gewisses alkoholisches Getränk gereicht wurde, und auch nur für den Zeitraum, den er benötigte, dieses Getränk zu ingestieren. Am späten Vormittag des 4. Oktober flog der Vogel weg und ward nicht mehr gesehn.


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Gregor Börner
Sprecher

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